Schreibwerkstatt am Gymasium Antonianum in Vechta startete gestern neu

Die neue Schreibwerkstatt des Gymnasiums Antonianum in Vechta unter Leitung von Olaf Bröcker startete gestern neu. Zwei neue junge Autoren wirken mit, sodass genpgend Jugendliche dabei sind, um am freitagnchmittag im freiwilligen Bereich zu schreiben. Über die Grundsätze des Schreibens in der Werkstatt hier einige Sätze von Olaf Bröcker aus dem letzten Buch der Werkstatt:

Literatur, das ist mir Leidenschaft
Olaf Bröcker


Sie treten schon seit Jahrhunderten auf, die Vorwürfe an die jeweils „heutige Jugend“; sie sei sittenlos, habe keine Grundsätze, tue dieses, unterlasse jenes. Einer der – bislang – jüngsten Vorwürfe lautet: Sie liest nicht mehr, unsere heutige Jugend! Neben den immer weiter zurückgehenden Zahlen der verkauften Bücher, der Buchhandlungen, der Buchclubs und Lesezirkel ist es natürlich vor allem der allgemeine Eindruck der „Jugend“, ihrer Rechtschreibung, ihrer Ausdrucksweise, ihrer Nutzung der sogenannten Neuen Medien, der als Beleg für diese These herhalten muss.

Weit davon entfernt, die Tatsache zu leugnen, dass in unserer Gesellschaft weniger gelesen wird – die Verkaufszahlen für Bücher gehen übrigens seit mehreren Jahrzehnten zurück –, weit entfernt auch davon, die Folgen für die Sprachnutzung zu ignorieren oder gar zu verleugnen, die ich als Deutschlehrer ständig vor Augen habe, ist doch einzuwenden, dass Pauschalurteile über die nächstfolgende Generation eben gerade auch nur das sind: pauschale, klischeehafte, unr-flektierte Äußerungen, die lediglich der Selbstvergewisserung dienen.

Literatur, das ist mir Leidenschaft. So lautet der erste Satz in einem Gedicht aus diesem Band, verfasst von einer Sechzehnjährigen, die in dem Text zwar eigent-lich einen Gegensatz zu den Zahlen im Matheunter-richt, die sich ihr ganz entziehen, aufbauen will, mit diesem Satz aber viel mehr aussagt. Und was sie sagt, betrifft die ganze Gruppe, deren Werk Sie in Ihren Händen halten, aber wohl auch noch viel mehr junge Leute. In mein Projektangebot zum literari-schen Schreiben an unserer Schule haben sich 14 Schülerinnen und Schüler eingewählt; es gab keine Voraussetzungen, nur die Klassenstufen waren be-grenzt, um die Gruppe nicht zu heterogen werden zu lassen. Schon das erste Schreiben zeigte bei vielen von ihnen eine Routine in der sprachlichen Arbeit, die nur auf lange, vielleicht langjährige Übung im Schreiben von Texten zurückzuführen sein kann. Und wenn Sie die Geschichten und Gedichte im vorliegenden Band verfolgen, werden Sie eine Leistungsdichte erkennen können, die in kaum einer der bisherigen vier Anthologien der AG Schreibwerkstatt vorlag.

Sie werden dabei feststellen, dass in den Texten insgesamt, wenn auch mit Ausnahmen, eine eher düstere Atmosphäre vorherrscht. Leidenschaft für das Schreiben, das heißt eben auch, nicht für Adressaten zu schreiben, nicht die Themen zu wählen, sondern sich von Situationen, Gedanken oder Impulsen zu einem Text tragen zu lassen. Das heißt auch, die Lei-denschaften auszudrücken, die einen selbst bewe-gen, auch um diese in den Lesern anzustoßen. Auto-ren verarbeiten dabei nicht nur Erfahrungen (keine Angst also um die Jugendlichen beim Lesen!), son-dern viel häufiger Gefühle oder eben die Leidenschaft für das treffende Wort. Es soll treffen, daher darf es nicht zu konkret sein; die Autorinnen und Autoren dieses Bandes gehen daher oft in die Abstraktion, in der Hoffnung, dass sich ihr Publikum darauf einlässt, sich mit den eigenen Leidenschaften konfrontiert zu sehen.

Die AG Schreibwerkstatt trifft sich wöchentlich freitags in der siebten und achten Stunde; die Gruppe ist eher klein und zwei Schülerinnen machen in diesem Jahr Abitur, werden uns also in absehbarer Zeit ver-lassen. Aber schon stehen neue Mitglieder auf unserer Schwelle, die sich tatsächlich am Freitagnachmittag mit Literatur beschäftigen wollen. Konnten Sie sich als Fünfzehnjährige vorstellen, am Freitag nach der Schule noch für eine Arbeitsgemeinschaft zu bleiben? Dazu gehört Leidenschaft.

Übrigens, um ein weiteres Mal pauschal zu urteilen, können Jugendliche gar nicht schreiben. Sie können sehr talentiert Musikinstrumente bedienen, sogar in der bildenden Kunst können sie sich hervortun, aber schreiben können sie nicht. Unter diesen Umständen mit einem Buch an die Öffentlichkeit zu gehen, erfordert Mut. Es ist den Jugendlichen nicht egal, was andere von ihren Texten halten; jeder Autor, der das behauptet, lügt sich, mit welcher Intention auch im-mer, in die eigene Tasche. Aber dass sie „gar nicht schreiben können“ als Jugendliche, hält sie nicht da-von ab, es auf außergewöhnliche Weise zu tun. Und bitte fallen Sie als Leserin oder Leser nicht in das all-gemeine „Was müssen diese Jugendlichen erlebt ha-ben, wenn sie so schreiben!“ ein, in das selbst die Autorinnen und Autoren des Verlags beim alljährli-chen Autorentreffen geraten, und die müssten es doch nun wirklich besser wissen. Noch einmal: Auto-ren verarbeiten nicht vordergründig Erfahrungen, sondern vielmehr ihre Leidenschaft(en).

Die Gelegenheit, ihre Texte einem größeren Publikum vorzustellen, sogar in Buchform, gibt ihnen der Geest-Verlag; Alfred Büngen glaubt an die Leistungsfähigkeit junger Autoren und noch mehr an die Tatsache, dass sie etwas zu sagen haben, was lesenswert ist. Er und Inge Witzlau stecken sehr viel Arbeit in die Förderung von Kindern und Jugendlichen all-gemein und dieser Gruppe speziell; man kann ihnen nicht oft genug danken. Axel Fahl-Dreger, der Leiter des Museums Vechta, stellt sein beeindruckendes Zeughaus als Kulisse für die Texte zur Verfügung; auch ihm gilt unser Dank dafür und auch für die weitere Förderung unserer Arbeit. Inge Wenzel ist inzwi-schen die dritte Schulleiterin des Gymnasium Anto-nianum Vechta, die unsere Arbeit unterstützt. Auch ihr und dem Kollegium, das uns fördert und auch unsere Extratouren toleriert, sagen wir herzlich Dank. Die Eltern, Geschwister und Mitschüler der jungen Autorinnen und Autoren helfen ebenso bei der Ver-wirklichung ihrer Leidenschaft.

Zerschlagene Tränenwege und sonnenverglühte Symphonien – lassen Sie sich von den Texten in die-sen und anderen Kapiteln mitnehmen in die Welt der Leidenschaft. Viel Freude dabei!

aus:

Thalia-Anna Hampf,
Henrik Joost,
Laura Sheila Jünemann,
Andrea Maria Nordmann,
Maren Wegmann,
lichtgeschnitten
Geest-Verlag 2017