Svea Marie Sieve - selbstbeständig

selbstbeständig
Svea Marie Sieve

Ich dachte, ich sei schlauer geworden mit den Zeiten, die ich malte. Nur weniger blind bedeutet nicht gleich weniger verblendet. Ich konnte Karmesin jetzt von Rubin unter-scheiden, doch das Bild wurde doch nicht grüner.
Ich radelte mir meine Strecken jetzt selbst zum Knoten, auf das ich meinen Schleier damit verwirrte, und die Bäume wurden immer brauner. Die Fußspuren, die eingebrannt durch meine Haut wucherten, Stempel auf der Leinwand.
Ich dachte, wenn ich in meinen Zeiten sterbe, dann könnte ich noch baden in den Fluten über mir. Grüne Sprenkel in den Augen. Aber ich konnte nicht mal ein Künstler sein in diesen Zeiten, denn meine Einbildung reichte nie weit ge-nug, um schöner zu sein, als die Menschen es ertragen.
Ich dachte wirklich, ich sei schlau geworden, dabei benutzte man doch keine Pinsel mehr und kein Papier. Und an wel-chen Pflanzen sollte ich mich noch festketten, wenn ich auch einfach die Gesichter essen konnte und sie mit mir reißen.

 

aus dem neuen, in Kürze erscheinendem Buch der Schreibwerkstatt des Gymnaslums Antonianum: 'Dem Stillstampf ein Bein stellen' mit Texten von

Seray Arduc
Ida Bergen
Rieke Freese
Laura Sheila Jünemann
Luisa Krieger
Emma Lüers
Zimel Mehmood
Julia Meisinger
Annika Niewald
Svea Marie Sieve
Julius Strotmann
Ragan Virnich