Umfangreiche Dokumentation des Buchprojektes der Grundschule Emstek fertiggestellt

Eine umfangreiche Dokumentation über die Konzeption und die Durchführung des Buchprojektes'Wir - wenn Bücher lebendig werden. Ein Lesebuch der vierten Klassen der Grundschule Emstek' ist nun fertiggestellt. In ihr wird die Bedeutung eines solchen Buchprojektes in der Arbeit der Grundschulen noch einmal verdeutlicht.

Hier ein Ausschnitt mit dem Rückblick einer der beteiligten Lehrerinnen

Wenn man sich in einer Buchhandlung in der Kinder- und Jugendbuchabtei¬lung umschaut, so fällt auf, dass viele Hauptpersonen des aktuellen Buch¬angebots einer fantastischen Erlebniswelt entstammen. Zauberer und Hexen, verwandelbare Baumhäuser und Drachengeschichten stellen den Hauptanteil der Literatur dar.

So habe ich mir als Lehrerin am Anfang des Buchprojekts darüber Gedanken gemacht, ob es den Kindern gelingen wird, eigene Ideen und Geschichten zu entwickeln, oder ob sie nur bekannte Muster nacherzählen, Geschichten, wie man sie in Büchern findet. Im Verlauf des Projekts haben sich diese Sorgen als unbegründet herausgestellt. Die Kinder zeigen sich in „ihrem“ Buch als echte Autoren, die in ihrer ganz persönlichen Sprache Situationen und Geschichten aus ihrer Erlebniswelt erzählen. Die Familie, die Schule, Pflichten wie Hausaufgaben erledigen und aufräumen und die Freizeit gehörten zu den Hauptthemen der Texte.
Als ich die Texte aus dem Kapitel „Zukunftsgedanken“ las, war ich persönlich sehr überrascht. Die meisten Kinder stellen sich ihre Zukunft mit einer Familie, Haustieren und einem guten Job vor.
Im ersten Moment habe ich mich über diese „Bescheidenheit“ gewundert. Doch obwohl die Kinder in einer Region leben, in der die Familie noch einen sehr hohen Stellenwert hat, erleben die Kinder häufig, dass Familien auseinander brechen und dass es immer schwieriger wird, eine gute Arbeitsstelle zu finden. So spiegeln sich elementare gesellschaftliche Pro¬bleme in den Zukunftswünschen unserer Schüler wider.
Sehr häufig wurden die in der Schule erteilten Hausaufgaben zum Schreibanlass gewählt. In den Kapiteln „Einmal Bürgermeister sein“, „Fantasiemaschinen“ und „Gerichtsstation“ wird für weniger Hausaufgaben gekämpft und werden Maschinen erfunden, die die Last der Hausaufgaben beseitigen können. Als Erwachsener liest man diese Texte vielleicht mit einem Lächeln. Als Lehrerin kann man jedoch beim Lesen der Beiträge ein schlechtes Gewissen bekommen und nachdenklich werden.

Die Texte wurden im 4. Schuljahr geschrieben, die Wahl des nächsten Schultyps stand den Kindern bevor und viele Kinder empfanden einen gro¬ßen Leistungsdruck. Für viele Kinder sind die Hausaufgaben sicher nur ein lästiges Übel, doch für andere Kinder sind sie tatsächlich eine Qual.

Sehr berührt hat mich der Text einer schwachen Schülerin, die unter dem Kapitel der Fantasiemaschinen schreibt:

Die Glücksmaschine
Die Glücksmaschine bringt Glück
Die Glücksmaschine sieht bunt aus
Die Glücksmaschine macht meine Hausaufgaben

Ein anderes Kind, das sich im Fach Mathematik plagen musste, beschreibt ihre Mathemaschine als groß und hässlich, aber trotzdem toll.

In dem Kapitel „Einmal Bürgermeister sein“ äußern einige Kinder ihren Unmut über das Verhalten von Erwachsenen und Lehrern gegenüber Kindern. Die Texte „Erwachsene müssten mehr Respekt vor den Kindern haben“, „Erwachsene müssen Kinderaufgaben wahrnehmen“, „Eltern sollen lieb zu den Kindern sein“ fordern die Erwachsenen dazu auf, sich in die Situation von Kindern zu versetzen. Häufig lesen wir in Zeitungen vom Unvermögen in Benehmen und Wissen der Kinder in der heutigen Zeit. Im Lesebuch der vierten Klassen halten die Kinder uns Erwachsenen im Gegenpart dazu den Spiegel vor und regen uns dazu an, unser eigenes Verhalten zu überdenken.

Besonders beeindruckt hat mich beim Lesen des Buches nicht nur die Themenauswahl, sondern auch die Ehrlichkeit der Texte. Sie sind sehr authentisch. Ein Kind, dessen Opa verstorben war, schreibt über seine Gefühle im Kapitel Gedichte. Ein Junge, der in der Schule häufig Ärger wegen seiner Unordnung bekam, entwickelt eine höchst komplexe Wunschmaschine, die alle möglichen Aufgaben erledigt. Die „Immer für mich da Maschine“ wurde von einem Jungen entwickelt, der in der Klasse keine richtigen Freunde fand. Den Text „Ich fahre nach Kanada“ schrieb ein Junge, dessen allerbester Freund und Mitschüler zwei Wochen nach dem Buchprojekt nach Kanada auswanderte.

Unser Projekt hat mir gezeigt, dass Jungen und Mädchen im Schreiben von Texten sehr produktiv sind, wenn ihnen die Möglichkeit zum Auswählen gegeben wird. Sie schreiben gebunden an ihre eigene persönliche Erlebnis¬welt, sie orientieren sich weniger an Textformen und Textstrukturen.
Nach der Veröffentlichung trat eines der Bücher die Reise nach Kanada an, da einer der Autoren dorthin auswanderte. Und so ging das Lesebuch der vierten Klassen zumindest schon einmal rund um die Welt.