Volker Gallé: beherzigte Steine (Literatur in schwierigen Zeiten)

beherzigte steine


vor allem die steine müssen beherzigt werden. ihre weisheit ist so fern, dass sie aufgehört haben, sich zu bewegen. sie werden bewegt. dann stürzen sie erst mal zu tal. oder kieseln atemlos in die nordsee. like a rolling stone.
daher kennen sie die kunstvollen gesetze antwortenden strömens, aber sie bleiben stumm und schauen nicht über sich hinaus. eher verkrebsen sie sich inwendig. während sie auf diese art das pflanzli-che wachsen erahnen, fehlt ihnen der heiße atem der tiere völlig. und damit das herz.
das wäre nun weiter nicht tragisch, wenn ihnen nicht dadurch auch die möglichkeit des spiels genommen wäre. spielball können sie wohl sein, aber nicht selber spielen: in sich sein, außer sich, dazwischen und darüberhinaus und das zugleich beobachtend sowie handelnd, eingreifend. steine werden niemals handgreiflich, sie werden immer nur ergriffen.
deshalb, allein deshalb müssen wir sie beherzigen.
wir machen uns dadurch gleichzeitig frei von versteinerungen aller art und zaubern hemmungslos unwiederbringliches in die zwischenräume der vorgegebenen entfernungen.
dass sie überhaupt keinen bestand mehr haben, das ist dann das großartige versprechen beherzigter steine. und davon beginnen sie zu leben, über den tod hinaus.