Vor der lektoralen Fertigstellung: Prof. Dr. Ludwig Sauer: Reise nach Wien oder Ursprung war Ereignis

Paul Ludwig Sauer, Professor Dr. phil., geb. 1930 in Fulda, war in den 40 Jahren seiner beruflichen Tätigkeit je zur Hälfte Lehrer und Hochschullehrer, zuletzt an der Katholischen Fachhochschule Norddeutschland (Osnabrück und Vechta). Von seinen zahlreichen Publikationen sind viele im Grenzbereich zwischen Literaturwissenschaft/Literaturdidaktik, Pädagogik und Philosophie/Theologie angesiedelt, so vor allem die Monographie über die Josephs-Romane Thomas Manns unter dem Titel "Gottesvernunft11 (1996), die drei-bändige Untersuchung über die spezifische Gattung des Bildungs- und Entwicklungsromans ("Geleitete Leben": 2000 - 2004), eine Darstellung des Kunstmärchens (2005) und der Diskursbeitrag zur Religionsphilosophie Hegels (Nach-denkender Glaube": 2007). - P. L. Sauer lebt in Bissendorf-Natbergen bei Osnabrück.

 Roter Faden des vielschichtigen Textes ist die Kaisermelodie Haydns, von den Deutschen für ihre Nationalhymne adaptiert. Die "Reise nach Wien" bedeutet demgegenüber eine Rückkehr zu deren Ursprung, indem sie dort noch einmal in ihrer wahren Intention und Gestalt erklang: Im Stephansdom, anlässlich des Begräbnisses der letzten österreichischen Kaiserin Zita am 1. April 1989. Das Miterleben der damaligen Ereignisse durch den Autor in einer Mischung aus historischer Chronologie und fiktionalen Elementen wird durchgängig begleitet von musikgeschichtlichen Betrachtungen und mehr noch von geschichtsphilosophischen z. T. auch geschichts-theologischen Reflexionen über Österreich, Deutschland, die Völker im Südosten Europas und die jahrhundertelange Funktion der "Casa dAustria". Bestimmend ist dabei die These, dass die Donaumonarchie heute mehr denn je eine bessere Leitidee darstellt als das Modell des in sich geschlossenen Nationalstaates, auch wenn die konkrete imperiale Ausformung durch das Haus Habsburg durchsetzt war von tragischen Schicksalsschlägen, aber auch von politischen Fehlentscheidungen und persönlichem Versagen. Und dennoch bewahrte das Gebilde unter den Schwingen des Doppeladlers unendlich viel aus der Tradition des "Heiligen Römischen Reiches", auch über 1806 und 1866 hinaus. Es bewahrte diese Kontinuität in der weiteren Horizontale seiner Völker und Sprachen und in der Bewahrung einer nur ihm eigenen Vertikalen: Der Transzendenz der "Heiligen Zeichen", der Reichskleinodien in der Schatzkammer der Wiener Hofburg, zeitenüberdauernd so wie Haydns "Gott erhalte!".
Bezugspunkte in diesem geschichtstheoretischen Diskurs sind die literarischen Werke von Grillparzer, Joseph Roth, Reinhold Schneider und Friedrich Heer. Dabei geht es nicht um wissenschaftliche Systematik, diese wird vielmehr ersetzt durch den autobiographischen Rahmen der "Reise", der es möglich macht, persönliche Erinnerungen, aber auch aktuelle Begebenheiten einzubeziehen.