Wir alle sind getroffen - Halle darf nicht sprachlos machen

Wir alle sind getroffen, bis ins Mark. Auf den Tag 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution, nach der Hoffnung auf ein geeintes demokratisches Deutschland ein solcher Anschlag. Zu schnell wieder die Einzeltäter-Erklärung, die Erklärung des nicht Abwendbaren.

Wir müssen es abwenden, wir müssen gewährleisten, dass in diesem Land jeder Mensch gleich welcher Herkunft und welchen Glaubens nicht um sein Leben fürchten muss.

Doch was passiert? Wir geben Rechten und Rechtsradikalen tagtäglich die Chance, in den Medien ihren Hass zu verbreiten, es bedurfte mehrerer Morde, bis die Sicherheitsbehörden ihre rechte Blindheit zu überwinden beginnen und zu handeln beginnen.

Doch die Sicherheitsbehörden allein werden die demokratische Sicherheit niemals gewährleisten können. Es liegt an uns, an unserem tagtäglichen Engagement, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Mutig aufzustehen, wenn im Alltag Menschen ausgegrenzt und beleidigt werden, täglich von den politischen Kräften Glaubwürdigkeit zu verlangen, uns nicht in der Wohlfühloase unseres Wohlstands einzurichten und zu glauben, es würde so weitergehen, während Millionen Menschen in anderen Ländern der Welt in Kriegen sterben, für unseren Reichtum hungern und leiden.

Auch Literatur ist hier in ganz besonderer Weise gefragt. Autoren, die ihre Stimme erheben und nicht aus Lust am Erfolg einen mörderischen Wahnsinn nach dem anderen schreiben. Autoren, die den Weg der Verlage in die reine Marketing-Schreiberei nicht mehr mitmachen, die eigenes, glaubwürdiges Schreiben an den Tag legen, demokratisches Denken zeigen und verbreiten. Schulen und Universiäten dürfen nicht länger reine, angeblich neutrale Wissensvermittler bleiben. Sie müssen sich wieder einer Erziehung hin zu einem demokratischen Humanismus wenden, der den tatsächlich mündigen demokratischen Bürger zum Ziel hat und nicht nur die bestens vorbereitete Arbeitskraft, deren Ausbildung künstlerisch kreative Fächer und gesellschaftliche Inhalte immer stärker zum Opfer fallen.

Wir müssen handeln und nicht so tun, als ob die Welt nur als beliebig austauschbare PC-Wirklichkeit existiert. Wir müssen uns einmischen, engagieren und streiten. Bilder wie in Halle, worauf ein bis an die Zähne bewaffneter Mann am helllichten Tage einfach Menschen erschießen und bedrohen kann, darf es niemals wieder geben.