Wir sind alle nur Gast auf dieser Erde - zum Tode von Günter Ullmann / OTZ Lokalseite

Wir sind alle nur Gast auf dieser Erde

Greizer Lyriker Günter Ullmann ist gestorben
Greiz (Schaarschmidt). Der Greizer Lyriker und Autor Günter Ullmann ist tot. Wie seine Familie bestätigte, starb er in der Nacht zum Sonntag im Alter von 62 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in einer Klinik in Kreischa. Ullmann wurde vor allem durch seine aufs Äußerste verknappten Epigramme und Gedichte und seine klare, schnörkellose Sprache bekannt. Er veröffentlichte aber auch Prosa, Kurzgeschichten und Kindergedichte. Für seine literarische Arbeit wurde er unter anderem 2004 mit der Adolf-Mejstrik-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung geehrt.

"Wir sind alle nur Gast auf dieser Erde, möglicherweise beginnt jetzt für mich die Zeit des Abschiednehmens, das sehe ich aber keineswegs schmerzlich, sondern als hoffentlich noch langen Prozess , sagte Ullmann zu seinem 60. Geburtstag. Geboren wurde er am 4. August 1946 in Greiz als Sohn eines Kaufmanns und einer aus Hohndorf stammenden Bauerstochter und hatte drei Geschwister. "Ich war privilegiert durch Liebe , erinnerte Ullmann über seine Kindheit. Der Nähe und Wärme folgt die Kälte des DDR-Regimes. Als der Mitbegründer der Greizer Jazz-Formation "media nox mit Freunden 1968 gegen den Einmarsch des Warschauer Pakts protestiert, gerät er zum ersten Mal ins Visier der Stasi. Ein Studium an einer Kunsthochschule wird ihm ebenso verwehrt wie eine Ausbildung am Leipziger Literaturinstitut; stattdessen die Empfehlung der Kulturbürokraten, sich "an Zeitungsgedichten zu orientieren . "Legt uns nicht den Horizont um den Hals , schreibt er, und doch weiß er: "Hinter- / hof // der winter / bleibt / klein // die sonne hat / vier ecken ; wie es in einem seiner bildgewaltigsten Texte heißt. Seine Freundschaften zu Regimekritikern wie Jürgen Fuchs oder Reiner Kunze sowie die Auflehnung gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 tragen nicht dazu bei, Anerkennung bei den Funktionären zu erlangen. Er bekommt Publikationsverbot. Die Stasi lässt ihn nicht mehr aus den Augen. Versuche, seine Gedichte im Westen zu veröffentlichen, werden von Stasispitzel Manfred Böhme verhindert. Ullmann arbeitet zu dieser Zeit als Bauschreiber. Aber er lässt auch sonst nicht ab vom Wort. 1980 finden seine Gedichte Eingang in die von Böll und Grass herausgegebene Anthologie L80. Doch dem immer wiederkehrenden Druck der Stasi ist der sensible Dichter nicht gewachsen, muss mehrfach psychiatrisch behandelt werden.

Der Herbst 1989 wird für den Dichter auch im Wortsinn zur Befreiung. Er findet eine Anstellung in der Greizer Stadtverwaltung, und endlich dürfen seine Texte frei gedruckt, gelesen, ihre sprachliche Schönheit, ihre Aufrichtigkeit geschätzt werden. Das (Wieder)Finden der oft übersehenen Kleinigkeiten des Alltags, das Erfassen der Welt mit kindlich-naiven, aber dafür um so klarerem Urteil zeichnet seine Lyrik aus. Somit ist es weniger eine dichterische Umschreibung als vielmehr eine philosophische Spurensuche, die seine Arbeiten, von den Epigrammen über die Kindergedichte bis hin zur Prosa, bestimmt. Ullmanns Tod ist für seine Familie und Freunde ein schmerzender Verlust, aber ebenso für die Literatur.
11.05.2009