Wolfgang Alexander Senft gestorben - Ein Nachruf von Manfred Schwab

“Er geht hinaus in die Nacht

mit seinen Träumen

die heute

ihre Blätter verloren haben”



(Wolfgang A. Senft)

Wir trauern um unseren ehemaligen Werkstatt-Sprecher,
unseren Freund und Kollegen

Wolfgang Alexander Senft
(1956 - 2009)

Er
hatte Träume und engagierte sich für sie, als Sozialarbeiter, als
Literat, als Mensch. In der regionalen Literaturszene, in der Arbeit
mit Suchtgefährdeten, mit straffälligen Jugendlichen. Er war schwierig
und machte es seinen Mitmenschen oft nicht leicht. Er war ein Kämpfer,
der nicht so schnell aufgab. Seine gesundheitlichen, beruflichen und
persönlichen Probleme brachten ihn an einen Punkt, an dem ihm auch
seine zahlreichen Freunde wohl nicht mehr helfen konnten. Wir werden
ihn und sein soziales, politisches und literarisches Engagement nicht
vergessen.

Für die Werkstatt Nürnberg
im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt e.V.

Manfred Schwab               Edith Nikolajsen

Nachruf Wolfgang A. Senft

“Positiv
leben” - das hat für Wolfgang Senft eine doppelte Bedeutung”, schrieben
die Fürther Nachrichten 1998 anlässlich der Vorstellung seines
Gedichtbandes “und trotzdem...”: “Er ist HIV-positiv und will dieses
Todesurteil auf Zeit als Zeichen nehmen, bewusster zu leben.” Und sie
zitierten aus seinem Gedichtbändchen: “Positiv - trotzdem will ich
leben, Positiv - trotzdem will ich lachen, Positiv - trotzdem will ich
lieben.” Das war für ihn programmatisch, das hieß nicht nur zwanzig
Jahre lang mit der Aids-Angst zu leben. Das hieß für ihn gleichzeitig,
sich zu seinem Anders-Sein zu bekennen und sich für Andere, für
Leidensgefährten, für sozial Benachteiligte,  Drogenabhängige,
straffällig Gewordene einzusetzen. Und das alles literarisch zu
verarbeiten.

Sein
soziales und politisches Engagement führte ihn in den Werkkreis
Literatur der Arbeitswelt, wo er sich acht Jahre lang als Sprecher der
Nürnberger Werkstatt engagierte. Für die letzten drei Ausgaben des
Werkstatt-Textmagazins “Dullnraamer” Nr.8 bis 10 zeichnete er
redaktionell verantwortlich, und er prägte ihnen seinen ganz
persönlichen Stempel auf. Besonders bemerkenswert ist der  2007
erschienene Jubiläums-Dullnraamer No. 10, ein 256 Seiten starkes, sehr
gelungenes  “Nürnberger Lesebuch für Literatur der Arbeitswelt”.  Ein
anderes Projekt, das ihm sehr am Herzen lag, war die von ihm gegründete
und organisierte Schreibgruppe “Beschriebene Blätter” mit jungen
Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Ebrach. Daraus entstand
2006 die viel beachtete kleine Anthologie “Stumme Schreie”. Brücken des
Verständnisses, der Annäherung wollte er damit schaffen, Wege ebnen,
wie er im Nachwort schrieb: "Aus vielen Mosaiksteinen entsteht manchmal
ein kleines Kunstwerk".
Nach
außen hin ein Raubein, eine ungeduldige Kämpfernatur, die vielfach
aneckte, zeigen seine eigenen Texte einen anderen Menschen: einen
empfindsamen, mitleidenden, liebenden Menschen, der Träume hat und der
sich dafür engagiert, dass sie keine Träume bleiben. Der Trost spenden
und Mut machen will. Trotz aller eigenen Schwierigkeiten und
Depressionen. Die nahmen in letzter Zeit immer mehr überhand. Als er
nicht mehr in der Lage war Anderen zu helfen, sah er - 52 Jahre alt -
wohl auch für sich selbst keinen Daseinssinn und in dieser Gesellschaft
keine Perspektive mehr, als sich am 15. Januar 2009 aus seiner Wohnung
am Nürnberger Westtorgraben in die Tiefe zu stürzen.

Von
seiner unerfüllten Sehnsucht nach Unbeschwertheit und Harmonie zeugen
viele seiner Gedichte: “Ich liege zwischen Gras und Getreide/ mein
Körper wird eins/ eins mit dieser einmaligen Komposition des
Augenblicks.// Ich liege zwischen Gras und Getreide/ und fühle mich so
leicht/ unheimlich leicht/ glaube zu schweben...”.    

 M.S.