Yasmin Rodewald - Zu mir gefunden

Kämpferisch drängte sich der Wind durch die Äste, an denen schon ein paar Knospen und Blätter hingen. Es duftete nach Tanne und Harz. Sonne brach durch die Zwischenräume der Bäume und erhellte grell das Papier, welches vor mir lag. Es war endlich Frühling geworden.

Leise ertönte Musik durch meine Kopfhörer, da ich auf den zarten Vogelgesang nicht verzichten wollte. Sanft fuhr ich durch meine Haare, streifte sie nach hinten und band sie mir zusammen.

Nun ließ ich meinen Kuli schnell und mit schwungvollen Bewegungen über mein Blatt schweifen, dabei inspirierten mich die kraftvollen Klänge in meinen Ohren, die mich nicht nur noch trauriger, sondern auch um einiges Agressiver machte. Langsam begann ich ein wenig zu zittern und meine Schrift veränderte sich von klar und elegant, auf verwirrt und nervös.

Nachdem ich meinen Druck ein wenig abgelassen hatte, wurde mein Schriftstil wieder klarer.

Ich atmete die frische Waldluft einmal tief ein, schloss die Augen und dann war ich endlich in meiner Traumwelt angekommen. Hier war alles plötzlich so einfach, klar und gerecht. Zum ersten Mal fühlte sich etwas wirklich richtig an.

Ohne darüber nachzudenken, flossen die Worte auf das Papier. Alle Sachen die mir auf dem Herzen lagen kamen wieder hoch und zierten das Papier mit einem emotionalen und vorwurfsvollen Text. Wie ein Klavierspieler sein emotionales Lied spielte und dabei harmonisch mit seinem Flügel agierte, so harmonierte ich mit meinem Kugelschreiber und dem Papier. Für einige Momente fühlte ich mich überlegen, unbesiegbar und unaufhaltsam. Ich begriff, dass ich dies einfach gut konnte und darauf hin überlegte ich, ob dies das einzige war, was ich wirklich konnte. Es war ein auf und ab der Gefühle. In meiner Traumwelt konnte ich nur Freude sehen und wiederrum begriff ich, was alles lief in meinem Leben falsch lief, welche Fehlentscheidungen ich bereits traf und was jetzt anders sein könnte, besser sein könnte. Es waren diese Momente..., diese grauenhaften, aber doch so wundervollen Momente der Wahrheit, die mich immer wieder an diesen Ort zogen. Das Blatt Papier und der Kugelschreiber war mein Therapeut, mein Helfer in der Not, der einzige Schlüssel der in das Schlüsselloch passte. Das schreiben war irgendwie das Einzige, was mich noch über Wasser hielt und mir neuen Mut machte.