Zu Dietmar Linkes demnächst erscheinendem Buch: ‚Bedrohter Alltag. Als Pfarrer im Fokus des MfS‘

Dietmar Linke ‚Bedrohter Alltag. Als Pfarrer im Fokus des MfS‘

Die Nachrichten der letzten Jahre und Monate über das Bespitzeln von Bürgern per Telefon und Internet durch aus- und inländische Geheimdienste stellt für ein solches Buch einen nicht zu übersehenden aktuellen Bezug  dar. Ein Pfarrer, der in der  DDR sein Amt nicht nur „verwalten“, sondern den Freiraum Kirche im real-existierenden Sozialismus erlebbar machen wollte, geriet rasch in den Fokus des MfS (Ministerium für Staatssicherheit). Für einen offenen Dialog gab es außerhalb der Kirche kaum einen Raum.

In einem Gespräch mit Jürgen Fuchs, im Buch dokumentiert, sagt dieser zum Ehepaar Linke: „Ich finde euch in keiner Weise defensiv. Ich empfinde euch als realistisch, mutig, energisch. Ich empfinde euch solidarisch gegenüber anderen und euch selbst. Ich wollte nur andeuten, dass es sowieso keine Möglichkeit gibt, die Taten von Wiegand und anderen rückgängig zu machen, ob sie nun verstehen, was ihr für richtig haltet, oder ob sie bereuen, das ist fast eine untergeordnete Frage. Sondern dass es bei Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen dieser Art und auch dem, was man selber erlebt hat und andere erlebt haben, nur das produktive Dagegen gibt, human natürlich, aber das produktive Dagegen. Das drückt ihr für mich aus. Ich empfinde die Gesellschaft insgesamt als defensiv. Sich vorzustellen, Wiederholungen und Ausde¬nung von solchen Geschehnissen [...] Umso wichtiger ist das, was ihr tut.“

So ist man geneigt, bei Dietmar Linkes ‚Bedrohter Alltag‘ mit Brecht von einer Beispielgeschichte zu sprechen, die weit über den dokumentarischen Charakter hinaus die systematischen Zerstörungsversuche des MfS gegen einen Aufmüpfigen zeigt. Linke war von 1971 bis 1983 Pfarrer in verschiedenen Gemeinden in der DDR, arbeitete im Rahmen seiner Tätigkeit gemeinsam mit seiner Frau mit kritischen Schriftstellern der DDR zu¬sammen, war Mitbegründer der ‚Friedenswerkstatt’ in Ostberlin.

„Was ihr berichtet, beschreibt, erlebt, bekämpft und durchgestanden habt“, so schreibt Jürgen Fuchs, „betrifft viele, wenige, die es so weit betreiben wie ihr. Wenige, die es reflektieren. Wenige, die es auf den Punkt bringen. Aber es ist doch fast ein Massenphänomen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zukünftig auftritt, so und anders, ist relativ hoch.“

Ein Buch, das wie kaum ein zweites das beschreibt, wessen man die DDR anklagen muss. Sie hat einen Staatsterrorismus errichtet, der sich auch dann noch gegen die Bürger richtete, die das Land erzwungenermaßen verlassen hatten. So wurde auch das Ehepaar Linke nach ihrer Ausbürgerung nach Westberlin weiterhin überwacht und stand im Fokus staatlicher Dienststellen der DDR.
Ein aufregendes und ein aufklärendes Buch, das angesichts sich verstärkender, verharmlosender Ostalgien ein unbedingtes Muss ist, das die Systematik von staatlichem Terror und Zerstörung zeigt.