Zum Gedenken an den verstorbenen Autor und väterlichen Freund Pater Meinrad Brink - Das Gespräch

Eines der zentralen Anliegen Pater Meinrads war das Gespräch im Vertrauen. Wie viele Stunden saßen wir und haben gesprochen. Eine Situation, die mir sehr fehlen wird.

Pater Meinrad starb am 1. August, die Beisetzungsfeier findet am Mittwoch, dem 7. August in der Dominikanerkirche in Füchtel statt. Im Anschluss findet die Beisetzung auf dem katholischen Friedhof in Vechta statt.

 

‚Das Gespräch‘ nennt Joseph Krautwald sein Werk. Zwei junge Frauen, auf einer Parkbank sitzend, haben scheinbar alles um sich herum vergessen und sind nur noch füreinander da. Die eine im gesammelten Schweigen vor sich hinblickend, ganz offen für das, was die andere ihr sagt. Die Jüngere, vertrauensvoll der Älteren zugewandt, erwartet ungeduldig deren Antwort. Man sieht es beiden an, wie wichtig für sie dieses Gespräch ist.

Der bekannte Psychologe Reinhard Tausch hat in seinem abschließenden Bericht über eine wissenschaftliche Untersuchung zu der Frage, wie man mit seelischen Belastungen und Stress fertig werden kann, Folgendes festgestellt:
•    Zur Frage ‚Was hat Ihnen in der Krise der Trennung von einem Partner geholfen?‘, nannten 73 % der Befragten das Gespräch mit Freunden und Bekannten;
•    zur Frage nach der Bewältigung schwerer Lebenskrisen gaben 63 % das Gespräch an;
•    für den Umgang mit schwierigen und un-lösbaren Problemen im Alltagsstress waren Gespräche mit verständnisvollen Menschen für 59 % hilfreich;
•    für die Bewältigung von schweren und belastenden Schuldgefühlen gaben 47 % der Befragten Gespräche mit verständnisvollen dritten Personen als Hilfe an;
•    im Umgang mit sorgenvollem und belastendem Grübeln und nagenden Gedanken nannten 31 % das Miteinandersprechen, Verstanden- und Akzeptiertwerden als besondere Hilfe.

Als Merkmale hilfreicher Personen werden angegeben:
→    Achtung, Respekt, Ernstnehmen, Wärme, positive emotionale Zuwendung;
→    Zurückhaltung beim Reden, wenig Lenkung der Gespräche, keine Anweisungen;
→    keine Bewertung von Schwächen, nicht kritisierend, nicht verletzend;
→    sensible Einfühlung, verstehend, was der Belastete ausdrücken will;
→    neue Sichtweisen ermöglichend, Anregungen gebend.

Krautwald hat nicht ohne Absicht die beiden miteinander Sprechenden auf eine alleinstehende Bank in einem Park postiert. Der hintergründige Sinn dieser Szene ist die notwendige Zurückge-zogenheit abseits von Lärm und Hektik der Straße, um sich in Ruhe auf den anderen einzulassen, ihn ins Vertrauen ziehen zu können und ihm die sonst fest verschlossenen Türen des eigenen Ichs zu öffnen. Das Bild vermittelt den Eindruck tiefer Harmonie zwischen diesen beiden Frauen. Es spiegelt eine innige Atmosphäre der Freundschaft und Vertrautheit im gegenseitigen Geben und Nehmen.
Ein gutes Gespräch umfasst nämlich beides: Wort und Antwort, Reden und Schweigen. Nur so vermittelt es beiden innere Beglückung und hei-lende Nähe. Jeder weiß, dass der andere es gut mit ihm meint und wie ein guter Engel ihn auf-fängt und mitträgt.
Schweigen – Hören – Verstehen – Antworten, das sind die Voraussetzungen dafür, dass ein Gespräch zur echten Begegnung werden kann, die Krisen überwinden hilft, aus der Resignation be-freit und neue Kräfte freilegen kann.

Gerade heute, so meint der Psychologe Volker Faust, sind solche Beziehungen zu einer Notwendigkeit geworden. In seinem Buch ‚Seelische Stö-rungen heute‘ schreibt er:
„Zwischenmenschliche Beziehungen auf jeder Ebene schützen vor dem ‚Ausbrennen‘. Das sieht zwar jeder ein, doch bei immer mehr Menschen kommt es durch die berüchtigte Stress-Spirale zum ‚leisen Einschlafen der Beziehungen …‘.
Kontakt braucht nicht nur Zeit, sondern auch Kraft. Also geht er verloren, wenn man dauernd ‚gestresst‘ und überfordert ist. Doch das hat fol-genschwere Konsequenzen, und zwar nachhaltiger, als man dem Faktor ‚Pflege der Beziehungen‘ zutrauen würde. Man beginnt nämlich, still und leise zu vereinsamen. Und dann traut man sich im Falle der Not nicht mehr anzurufen und hätte etwas Zuspruch doch so bitter nötig. Kurz: Kontakte müssen sorgfältig gepflegt werden, vor allem in Zeiten, in denen man sie nicht zu brauchen scheint. Sonst kann man bei Bedarf nicht ernten.“

Was für die Gesprächskultur im profanen zwischenmenschlichen Bereich gilt, ist von noch größerer Bedeutung auf religiöser Ebene. Kraut-walds Plastik zieht keine Grenze zwischen diesen beiden Welten. Seine Figuren erinnern unwillkürlich an biblische Gestalten wie Maria, von der es heißt, dass sie alles, was ihr über das Kind gesagt wurde, in ihrem Herzen bewahrte und erwog. Oder an die Begegnung zwischen Maria und Eli-sabeth, deren Gespräch zu einer beglückenden inneren Einsicht und geistigen Tiefe führte.

Im Christentum kommt dem Wort eine besondere Rolle zu, da das Wort Gottes für uns ‚Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat’. Es wurde zur Brücke zwischen Gott und den Menschen, es vermittelt die Erfahrung von Angenommensein, von persönlicher Würde und liebender Bejahung. Auch das Innerlichste und Persönlichste, selbst Schuld und Sünde können zur Sprache kommen. Alles kann ausgesprochen werden und im liebenden Du Befreiung, Vergebung und Heilung finden.
Und wenn ich Gott im Gespräch mein Herz und meine leeren Hände hinhalten, mich in ihn hineinfallen lasse, dann werde auch ich selbst befähigt, ‚Wort-Brücken‘ des Vertrauens unter den Menschen zu bauen.

 

aus seinem Buch: Bilder zum Leben, Geest-Verlag 2013