10.06.2021 - aktuelle Autorin - Claudia Block

Die Autorin

Claudia Block, geboren 1967 in Bielefeld, wuchs mit einer bunten Schar von Tieren auf und ist bereits seit ihrer Kindheit begeistert von der Reitkunst und dem Lesen und Schreiben von Geschichten. Trotz verschiedener Versuche, einen bodenständigen Beruf zu ergreifen, widmete sie sich ab 1994 hauptberuflich ganz der Arbeit mit den Pferden und erfüllte sich den Traum eines eigenen Hofes und Reitbetriebs im norddeutschen Moor. Unterstützt durch ihre Familie und ihre Hunde schreibt sie dort zwischen Reitunterricht und Pferdeausbildung ihre Romane.

 aus ihrem  Roman: Carima -unsichtbar.

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Auf dem Gras hing noch der Morgentau, als Carima am Sonntagmorgen Richtung Wald radelte. Sie war noch müde, aber besser unterwegs zu sein, als mit der Familie zu frühstücken. Die Wochenenden waren besonders schlimm. Ihr Stiefvater war in der Woche viel unterwegs, aber samstags und sonntags empfahl es sich, unsichtbar zu werden. Das konnte Carima inzwischen gut. Obwohl auch das manchmal nicht genügte, um in Sicherheit zu sein. Wer unsichtbar war, versäumte leicht seine täglichen Pflichten. Aber sie hatte noch den Tisch für die anderen gedeckt, bevor sie losgefah-ren war. Und den Geschirrspüler ausgeräumt.
Der Bäcker im Ort öffnete sonntags früh für drei Stunden und Carima hatte eine Tüte mit Sesambrötchen und Croissants dabei. Johann aß das gerne. Er freute sich über die goldenen frischen Brötchen. Wenn Carima es schaffte, brachte sie ihm immer etwas zu essen mit.
Jetzt bog sie von der Landstraße ab in den Feldweg. Dann ging es in den Wald hinein, Johanns geheimnisvollen Wald voller Fabelwesen. Bis sie an seinem Häuschen war, war ihr warm geworden. Johann hatte schon auf sie gewartet. Als verfüge er über ein besonderes Wissen, ahnte er ihre Besuche immer, ohne dass sie ihm eine Zeit gesagt hätte. Er stand vor der Tür, seinen Hund neben sich. Toola war immer an seiner Seite, ruhig und unbeirrbar. Sie war noch stark und gesund, vielleicht durch das Leben im Wald abgehärtet, die vielen Gänge durch Unterholz und Gebüsch. Nur ihre Augen ließen nach, aber sie roch Carima und stand wedelnd auf zur Begrüßung. Johann lachte sein breites, fast zahnloses Lachen, und sein Gesicht, durchzogen von Falten, leuchtete auf.
„Prinzessin!“ Er winkte ihr zu.
Carima sprang vom Rad und ließ es an einen Baum gelehnt stehen. „Frühstück für uns“, sagte sie und hielt die Tü-te hoch.
Johann rieb sich die Hände. „Fein, fein. Ich mache uns Tee. Komm, komm. Nur herein mit dir.“ Er stieß die alte Tür auf, deren Farbe schon lange abgeblättert war. Carima dachte immer, einmal würde das Haus einfach aufgeben und die Tür fallen lassen, wie eine zu schwere Last. Im Inneren des Hauses gab es nur einen Wohnraum, der zugleich Küche war, und eine winzige Schlafkammer. In einem kleinen An-bau war die Toilette und daneben der Stall für Johanns Ziegen. Es gab Strom, aber das Wasser kam aus dem Brunnen, und geheizt wurde im Winter mit einem Kachelofen. Cari-ma fand es wunderbar in Johanns Reich. Obgleich es hier eigenartig roch und weder Mann noch Haus besonders sauber waren.
Toola ließ sich im Haus neben dem Herd nieder, einem alten Modell, von dessen vier Platten noch zwei funktionierten. Johann setzte einen Kessel mit Wasser auf. „Ist dir kalt, Prinzessin?“