11. Februar 2018 - aktueller Autor - Andree Leu

Andree Leu:

 

Der 1966 in Amberg geborene Andree Leu lebt mit seiner Familie in
ostwestfälischen Rietberg. Nach dem Abitur hat er zunächst eine Lehre
als Schiffsmechaniker absolviert, die ihn auf Handelsschiffen drei
Jahre lang um die Welt geführt und bleibende Eindrücke hinterlassen
hat. Trotz der bis heute erhalten gebliebenen Liebe zur Seefahrt wandte
er sich im Anschluss an die Lehrzeit dem Studium zum
Wirtschaftsingenieur zu und wurde mit diesem Beruf am Rande des
Teutoburger Waldes sesshaft.
Ein großes Interesse für die Literatur und das Schreiben begleiten ihn
schon seit der Jugend. Seit wenigen Jahren erst widmet er sich jedoch
diesem Hobby in verstärktem Maße. Dabei lässt er sich nicht einem
einzelnen Genre zuordnen sondern widmet sich vielfältigen
Themengebieten. Romane schreibt er mit ebensolcher Leidenschaft wie
Jugendbücher oder Märchen.

Im Geest-Verlag erschienen:

http://geest-verlag.de/buecher/leu-andree-und-gott-ist-der-richter

coverleu.jpgAndre Leu

... und Gott ist der Richter.

Geest-Verlag 2009

Andree Leu's Roman verwebt im historischen Kontext die Lebensläufe
der beiden wichtigsten Protagonisten. Friedel wird im Dritten Reich zu
einem fanatischen Nationalsozialisten und legt seine rassistischen
Grundzüge auch nach dem Ende des Faschismus nicht ab. Durch
skrupelloses Verhalten gelangt er in der Bundesrepublik rasch zu Macht
und Einfluss. Dabei scheut er nicht vor Betriug und Erpressung auch
gegenüber der eigenen Familie zurück. Daniela wird als jüdisches
Mädchen geboren, ihre Eltern werden von den Nazis ermordet. Eine
Bäuerin nimmt sich des Kindes an, flieht mir ihr vor der heranrückenden
Roten Armee in den Westen.

Friedels und Danielas Wege kreuzen sich in einem Bordell, in dem
Friedel aufgrund seiner gewaltsexuellen Vorlieben verkehrt. Die
Verstrickung der Schicksale führt zum Verhängnis. Der Sinn für Moral
findet sich letztlich nur noch in Daniela, die den Glauben an die
Gerechtigkeit nicht verliert.

Ein großer Roman, der ein grundlegendes Thema historisch-moralischer Verstrickung zur Diskussion bringt.

 

Prolog

Friedels Finger wollten sich verkrampfen, doch so sehr er sich auch bemühte, seine gesamte Willenskraft auf diese kleine Bewegung verwandte, mehr als ein schwaches, fast unmerkliches Zucken des kleinen Fingers brachte er nicht zustande. In ihm kochte eine unbe-schreibliche Wut, der er keinerlei Ausdruck verleihen konnte. Wie gefesselt lag er auf dem Bett und verfolgte ohnmächtig das Gespräch der anderen. Er wollte schreien, aber immer wieder floss nur dünner Speichel aus seinem Mundwinkel über das Kinn und durchnässte das blütenweiße Bettlaken, auf dem er lag. Sein Gesicht war halbseitig gelähmt, die Beine völlig gefühllos. Einzig mit den Fingern der rechten Hand konnte er noch schwache Zeichen geben, die aber in diesem Moment niemand beachtete.
Die Männer standen mit dem Rücken zu ihm und be-sprachen, ohne auf seine Anwesenheit Rücksicht zu nehmen, ihre Geschäfte. Sie wussten, dass er wohl noch bei Verstand war, doch niemals mehr in der Lage sein würde, ihn zu gebrauchen, geschweige denn, ihre Pläne zu durchkreuzen. Es schien sie sogar mit Befriedigung zu erfüllen, wenn sie gelegentlich einen Blick auf ihn warfen und feststellten, dass er hilflos war. Selbst das un¬verständliche Grunzen, das er kurz nach seinem Schlaganfall noch hatte von sich geben können, war ihm inzwischen nicht mehr möglich.

Der eine, ein schlanker, intelligent wirkender Mann, schloss zufrieden lächelnd den metallenen Koffer, blickte sein Gegenüber an und setzte eine unschuldige Miene der Hilflosigkeit auf.
„Ich habe wirklich alles getan, was in meiner Macht stand, Erich.“
„Solche Äußerungen solltest du besser unterlassen! Wenn jemand dein Gesicht dabei sieht, sind wir erledigt.“ Erich zog einen Umschlag aus seiner Jacke und reichte ihn dem Doktor. „Dein Flug geht ab Frankfurt. Morgen bist du in Kapstadt und vergisst am besten alles, was geschehen ist! Dein Geld hast du. Du musst dich um nichts kümmern, nur verschwinden.“
„Muss ich nachzählen?“
„Ich war es nie, der dich betrogen hat.“
„Von deinem Bruder konnte ich lernen, dass in Geldan-gelegenheiten nicht zu spaßen ist.“
„Wohin haben ihn seine Lehren denn gebracht? Schau ihn dir doch an. Er ist erledigt, mein feiner Bruder.“
Erichs Gesicht näherte sich dem des Doktors. „Vergiss nicht unsere Abmachung. Du warst es ganz allein. Wenn du singst, schaufelst du dir dein eigenes Grab. Ich habe mit all dem nichts zu tun. So ist es vereinbart.“
„Mach dir keine Sorgen. Es war richtig und zu unser aller Besten. Außerdem sind zehn Millionen wirklich Grund genug zum Schweigen.“
„Ich werde dir den Rücken freihalten, hoffe aber trotz-dem, dass du weißt, was auf dem Spiel steht.“
Erich sah nachdenklich durch den Raum. Sein Blick traf den Rücken einer Frau, die schweigend durch das Fenster in den Regen starrte. Er ging auf sie zu und ver¬such¬te, einen Arm um ihre schlanke Taille zu legen. Sie stieß ihn unwillig zurück. Erich wandte sich wieder um.

„Endlich hat das Warten ein Ende. Morgen bist du Vormund deines Bruders. Dann brauchst du nicht mehr um die Krümel betteln, die er vom Tisch fallen lässt. Der Kuchen gehört dir ganz allein.“
Vom Bett war ein durchdringender Seufzer zu hören.
„Heute ist noch nicht morgen“, sagte Erich.
Die Frau erwachte aus ihrer starren Haltung. Sie bedachte für einen kurzen Moment beide Männer mit einem Blick, in dem neben verzweifelter Hilflosigkeit auch ein bitterer Vorwurf zu erkennen war. Sie setzte sich zu dem hilflosen Mann, griff nach einem feuchten Wasch-lappen und wischte über seine Stirn. Ihre Stimme zitterte. „Warum hast du das alles getan, Friedel?“