11.10.2018 - aktueller Autor - Manfred Cibura


12. Mai 2018 - aktueller Autor - Manfred Cibura


Manfred Cibura wurde 1959 in Brühl geboren. Dort lebt er auch heute noch mit seiner Familie. Seit 1995 arbeitet er als Konzernbetriebsprüfer. In seiner ersten schriftstellerischen Arbeit „Heiliges Blech“ (2006) schilderte er bewegend und einfühlsam den sinnlosen Unfalltod einer jungen Frau und richtete so den Fokus auf die Schattenseite der Faszination Auto. Die soziale Sprengkraft der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich, ist der Stoff seines neuen Romans.

 

Was passiert, wenn das Computerprogramm eines Hedgefond-Managers verrückt spielt und sich plötzlich verselbständigt? Wenn der millionenfache Gewinn nicht auf dessen Konto verbucht, sondern in tausende, kleine Beträge aufgeteilt, und an die wirklich Bedürftigen umverteilt wird? Lautlos von oben nach unten, sozusagen.

Damit sind wir bei Manfred Ciburas Krimi "Lautlos nach unten".

Die Konten des Privatbankiers Jürgen G. Kleinmann werden von einer Minute zur anderen liquidiert, das Geld taucht auf den Konten derer auf, die nichts bis gar nichts haben, der Manager verschwindet spurlos. Es dauert nicht lange, bis die nächsten Superreichen ein ähnliches Schicksal ereilt.

Kommissar Stein und seine Vorgesetzte Pfeiffer haben alle Hände voll zu tun, die Lage in den Griff zu bekommen, denn dieser Fall betrifft schon bald nicht nur vereinzelte Manager und Banker, sondern Politiker, die Wirtschaft, ja, die ganze deutsche Bevölkerung ist involviert - und dann fängt es auch in der Schweiz an zu kriseln. Terroristen, rufen die einen, Wohltäter, meinen die anderen. Gegen die Hacker soll mit aller Härte vorgegangen werden, heute trifft es die Superreichen, aber wer kann schon sagen, wer morgen enteignet wird.
Da gibt es nur ein Problem: wo sind die Täter?

Cibura entwirft einen spannenden Cocktail aus Opfern, Entscheidern und Ermittlern, ein internationales Szenario der Umverteilung. Endlich haben alle gleich viel zur Verfügung, ein wenig mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt.

Märchenhafte Zustände?

Nun - das soll Manfred Cibura in seinem Roman selbst beantworten.

Lautlos nach unten, Manfred Cibura, ISBN 978-3-86685-456-7, Geest-Verlag

 

aus:https://www.asphaltspuren.de/30-aktuelles/335-hedgefond-manager-vor-dem-aus

 

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Aus dem prolog 'Lautlos nach unten'

2. Februar

Berlin Friedrichshain - Kreuzberg

Die Ironie des Schicksals wollte es, dass dieser Mitt-woch, der Sigis Leben so einschneidend verändern soll¬te, sein letzter war.
Nichts von den epochalen Umwälzungen, die an diesem Tag ihren Lauf nahmen und das Gesicht unseres Landes so grundlegend verändern sollten, war für Sigi spürbar geworden und es sollten noch Tage vergehen, bis die Öffentlichkeit den Wandel gewahr wurde, und Wochen, bis das Ende der alten Ordnung begreifbar wurde. Selbst wenn Sigi die ersten Anzeichen zu Gesicht bekommen hätte, er hätte sie nicht mit sich und seiner aussichtslosen Lebenswirklichkeit in Ver¬bindung gebracht. Wie hätte er auch auf einen solchen Gedanken kommen sollen? Niemand interessierte sich für seine Belange. Wie ein bleischwerer Nebel lasteten Entbehrungen, kräftezehrende Mühen und eine düstere Zukunft auf seinem Leben.
Als Sigi acht Jahre alt war, hatte die Wohlstandsgesellschaft beschlossen, ihn auszusondern, und schnell hatte er gelernt, dass es Wichtigeres als seine Wünsche gab. Anfangs gaben sich seine Eltern noch große Mühe, die wie aus dem Nichts aufgetauchten Probleme vor dem fröhlichen, aufgeweckten kleinen Jungen und seiner Schwester Anna-Lena zu verbergen und den gewohnt unbeschwerten Alltag zu bewahren.
Sigi freute sich zunächst über die unheilverkündende Neuigkeit, denn in seinem zarten Alter erschloss sich ihm die ganze Tragweite noch nicht. Sein Vater sollte fortan jeden Tag zu Hause bleiben. Klaus, Sigi sagte nur selten Papa zu ihm, brauchte nicht mehr arbeiten zu gehen und hatte unglaublich viel Zeit für ihn und Anna-Lena, Freizeit, die Klaus im Berufsleben nicht gekannt hatte. Sigi verstand es nicht, warum sich sein Vater darüber nicht so sehr freuen konnte wie er. Seiner pubertierenden Schwester Anna-Lena, die begann, ihre exhibitionistischen Fantasien zu kultivieren und ihren üppigen Brüsten vehement den Büstenhalter verweigerte, war es einerlei.
Die ersten Wochen schaffte es Sigi mit seiner Unbekümmertheit noch, seinen Vater ab und an zum Lachen zu bringen. Sein Vater holte ihn sogar mit dem neuen, sportlichen Cabriolet von der Schule ab. Das war das Größte, neben seinem Vater auf dem Bei-fahrer¬sitz zu thronen und den sanften Fahrtwind zu spüren. Die anderen Jungen aus der Klasse wurden gelb vor Neid, wenn Klaus mit leicht durchdrehenden Reifen losfuhr. Sigi genoss diese Augenblicke. Der chromglänzende Stern des Cabriolets war noch kein Jahr alt, als seine Eltern den Leasingvertrag beenden mussten. Ab sofort fuhren sie umweltbewusst mit Bussen und Bahnen. Sigi suchte keine Erklärungen, denn er fand auch dies super spannend und „cool“, wie er gerne betonte. In der Straßenbahn studierte er hinter den versteinerten und scheinbar undurchdringlichen Gesichtern die unterschiedlichsten Charaktere oder hing an den Lippen der Reisenden.
Ein halbes Jahr verging, ohne Jubel, ohne nennenswerte Dramatik. Es flossen keine Tränen, aber die Leichtigkeit der vergangenen Jahre war verflogen.
Was Sigi verborgen blieb, waren die verzweifelten Versuche seiner Eltern, die desolate finanzielle Situation wieder in den Griff zu bekommen und sich aus dem Würgegriff der Banken zu befreien, der ihnen die Luft zum Atmen nahm und alles zu ersticken drohte. Klaus las täglich jede Stellenausschreibung. Jede.
Er schrieb unablässig Bewerbungen. Es waren Hunderte, aber es blieb eine gänzlich einseitige Kommunikation. Sein Versuch, als Handelsvertreter das Geld für den Lebensunterhalt der Familie zu verdienen und das Hypothekendarlehen für den Neubau zu bedienen, scheiterte nicht an seinem Fleiß. Die Konkurrenz war auch hier groß und schlief nicht ...