13. Februar 2018 - aktueller Autor - Uwe Protzmann


 

Uwe Protzmann,

1957 in Düsseldorf ge­bo­ren, schien eine ganz nor­male bürgerliche Kar­riere vor sich zu ha­ben. Nach dem Schul­ab­schluss trat er in den öffentlichen Dienst ein, absolvierte ei­ne Ver­waltungsausbil­dung.
Bereits in der Ausbildung und dann in den nach­folgenden Jahren als äußerst erfolg­reicher Versicherungsfachmann wurde die Angst sein ständiger Begleiter, die berufli­ches und privates Leben viel zu früh zerstörte.

 

Veröffentlichungen im Geest-Verlag

 

22 Jahre bin ich, wohne noch bei meinen Eltern und sitze entspannt auf dem kleinen Balkon im zweiten Stock unserer Mietwohnung, um den ersten richtig heißen Sommertag dieses Jahres zu genießen und etwas Bräune zu erheischen. Die Balkontür ist geöff-net, aus dem Wohnzimmer schallt aus dem Hi-Fi-Turm meines Vaters Kim Wildes ,Kids in America’. Bequem räkle ich mich auf einem dick gepolsterten Cam-pingstuhl, die Füße dabei auf die holzvertäfelte Ablage des Balkons gelegt. Mit geschlossenen Augen verliere ich mich in meinen Gedanken, höre der Musik zu, bin völlig entspannt. Ich habe zwei Wochen Urlaub und genieße es, richtig faul zu sein!
Was ist das?
Meine Augen weiten sich vor Schreck. Von einer Sekunde auf die andere fühlen sich meine Füße an, als hätte ich sie in glühend heißes Wasser getaucht, als würde siedendes, flüssiges Blei durch sie hindurchfließen. Mit einem Ruck reiße ich die Beine von der Balkonablage.
Auf den Boden mit euch, Gewicht darauf verlagern. Das Gefühl ist bestimmt gleich verschwunden.
Zwecklos! Im Gegenteil.
Das Brennen kriecht langsam weiter nach oben, er-reicht die Kniescheiben, wandert weiter die Ober-schenkel herauf. Ich werde unruhig.
Nein, unruhig ist nicht das richtige Wort. Ich be-komme regelrecht ANGST!
Ich bin jung und kenne Krankheiten und Ärzte bis-lang nur vom Hörensagen, obwohl ich Eishockey spie-le, täglich zwei bis vier Stunden, an den Wochenenden manchmal sechs Stunden und mehr auf dem Eis bin. Klar, viel zu oft musste ich aufgrund meines Sports Platzwunden nähen lassen, aber das habe ich nie als eine Erkrankung oder einen Arzt-besuch betrachtet. Das gehört beim Eishockey einfach dazu, man kann es nicht vermeiden. Ansonsten ist mein Körper bis jetzt eine gut geölte Maschine gewesen, die jederzeit und rund um die Uhr auf der Arbeit, auf dem Eis und in meiner oft stressigen Freizeit fehlerlos auf höchsten Touren gelaufen ist, jederzeit auf Abruf zu Höchstleistungen bereit.
Und nun so etwas!
Was zur Hölle ist das?
Das heiße Brennen in den Oberschenkeln hat mittlerweile meinen Unterleib bis zur Höhe des Bauch-nabels erreicht und ich spüre, wie mir der Schweiß ausbricht.
Was passiert mit mir? Was wird geschehen, wenn das Brennen meinen Brustkorb erreicht, meine Lun-gen, mein Herz? Kündigt sich vielleicht dadurch ein Schlaganfall, ein Herzinfarkt oder ein Kreislaufkollaps an?
Ich habe keine Ahnung, bisher habe ich mich nie mit medizinischen Dingen befasst! Aber seltsamerweise denke ich in dieser Sekunde daran, dass mein Opa, ein in Insiderkreisen bekannter Kunstmaler, fünf Herzinfarkte erlitten und den sechsten nicht überlebt hat. Darüber ist in der Familie oft und viel gesprochen worden, aber da ich zum Zeitpunkt seines Sterbens noch ein kleines Kind gewesen bin, verstand ich natürlich nicht, worum es ging.
Ich springe auf und stürze ins Wohnzimmer. Vor der Schrankwand gehe ich auf und ab, der Schweiß perlt mir in dicken Tropfen von der Stirn. Das Telefon! Soll ich meine Mutter auf der Arbeit anrufen? Oder meinen Vater? Oder den Hausarzt oder besser gleich einen Krankenwagen?
Herrgott, ich kann doch keinen Krankenwagen an-fordern! Was sollen die Nachbarn denken, wenn hier auf einmal vor dem Haus ein Rettungswagen mit Blau¬licht auftaucht? Das ist doch peinlich ohne Ende! Ich bin Eishockeyspieler, 1,91 m groß, wiege 98 Kilo und bin kerngesund – Himmel, ich bin doch kein Weichei! Wir hatten hier in der neuen Siedlung noch nie einen Krankenwagen vor einem Haus stehen. Was würde das für ein Getratsche geben, wenn sie mich jetzt abholen würden! Das würde am nächsten Tag die gesamte Siedlung wissen!
Verschwunden.
Von einem Moment auf den anderen ist das Bren-nen völlig verschwunden, als wäre es nie dagewesen. Habe ich Halluzinationen? Oder was? Oder habe ich es mit meinem ersten Sonnenbad einfach übertrieben?

 

 



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