13.05.2022 - aktuelle Autorin - Cornelia Koepsell



 


Ihr Debütroman „Das Buch Emma“ erschien 2013 im Geest Verlag.

http://geest-verlag.de/buecher/koepsell-cornelia-das-buch-emma-roman

Ihr zweiter Roman 'Lauf weg, wenn du kannst',  dann ebenfalls im geest-Verlag

Koepsell, Cornelia: Lauf weg, wenn du kannst!


Diverse Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien. Bekannt als Poetry Slammerin in Augsburg.
Mehrere Literaturpreise unter anderem:  3. Preis Schwäbischer Literaturpreis 2011, 3. Preis Frauen-Literaturpreis 2014

Ihr neuer Roman:

 

Lauf weg, wenn du kannst!

Roman

Geest-Verlag 2017

ISBN 978-3-86685-609-7

ca.220 S., 12.-Euro

http://geest-verlag.de/shop/koepsell-cornelia-lauf-weg-wenn-du-kannst

und ein Hörausschnitt

http://geest-verlag.de/audio/koepsell-cornelia-lauf-weg-wenn-du-kannst-h...

 

Eine junge Frau verliebt sich Hals über Kopf in einen Mann, der sich als Psycho und Schläger entpuppt. Er treibt sie in die Kriminalität, so dass sie eine lange Gefängnisstrafe absitzen muss. In der Haft beginnt sie zu schreiben.
Nach ihrer Entlassung versucht sie sich eine kleine bürgerliche Existenz aufzubauen. Als es fast gelungen ist, taucht der Psychopath wieder auf und will ihr alles kaputt machen …..

 

Hier ein Ausschnitt

Sie hat nicht gelernt „Nein“ zu sagen. Es sind nur vier Buchstaben. NEIN. Doch dazu hat sie kein Recht. Die Auffassung steckt in ihren Knochen. Im Blutkreislauf. Da hilft kein emanzipiertes Gerede.
„Männer darfst du nicht vor den Kopf stoßen!“ Das hat sie gelernt. Bevor sie sprechen konnte.

Da sitzt einer: tadelloser Anzug. Er will sie aufreißen. Sich hineinbohren ins Frischfleisch. Für Eva repräsentiert er die gute Gesellschaft, aus der sie ausgestoßen wurde. Vor langer Zeit.
Eva ist ein leichtes Opfer. Das glaubt der Mann. Er hat die Witterung aufgenommen, hat ihn geschnuppert, den unverwechselbaren, leicht abgestandenen Duft der Einsamkeit.
‚Draußen vor der Tür‘, denkt der Mann, erinnert sich an lang zurückliegende Deutschstunden im Vorstadt-Gymnasium.
Die Hände unter die Schenkel vergraben, so sitzt sie vor ihm, die junge Frau, ausgehungert nach einem Menschen, dem sie ihre Sorgen anvertrauen kann.
Er gibt den Verständnisvollen. In seinen Augen glänzt die Gier.
„Ich fahre Sie nach Hause. Das ist für mich kein Umweg.“
„Das ist nicht nötig. Ich kann mit der S-Bahn fahren.“
„Wenn ich Sie nicht nach Hause fahren darf, beleidigen Sie mich.“
Eva fühlt sich verpflichtet. Er hat sie freigehalten. Ein Weizen und zwei Campari. Sie glaubt zu schweben. Kein Wunder. Ihr Körper ist seit Jahren dem Alkohol entwöhnt. Der Mann hat Verständnis für ihre Lage geäußert, eine aus der Haft Entlassene, die nicht weiß, wie es weitergehen soll.
Selbst wenn sein Mitgefühl Schauspielerei war, fühlte es sich gut an. So gut.
Leicht schwindlig steigt sie in den Mercedes. Natürlich fährt er sie nicht nach Hause. Er fragt nicht mal, wo sie wohnt.
Das Auto hält in einer einsamen Straße. Der Mann liegt auf ihr, sabbert ihr ins Gesicht.
Der Ekel verleiht Eva Kräfte.
„Lassen Sie das! Ich will nicht!“
Sie stößt ihn von sich, spürt sein weiches Fleisch, eine Welle des Abscheus überschwemmt sie.
Er ohrfeigt Eva. Einmal. Zweimal. Sie erschlafft. Stellt sich tot. Lässt es geschehen. Sein Gewurschtel. Wie er ihre Hose herabzieht, sich schwertut, weil ihr Körper so steif ist, so starr, dann an der eigenen Hose zerrt, ja reißt, ohne auf die Bügelfalten zu achten. Die ‚gute Gesellschaft‘ liegt hinter ihm. Er ist wieder ein Jäger. Wie seine Vorfahren. Das Wild liegt vor ihm. Jetzt wird es aufgebrochen.
Schnell, sehr schnell ist der Mann fertig, bevor er wirklich angefangen hat. Er stößt einen Ton ähnlich dem Jaulen einer kranken Katze aus.
Eva hat sich weggebeamt, betrachtet mit fast wissenschaftlichem Interesse die Innenauskleidung des Fahrzeugs. Als ob es da etwas zu entdecken gäbe. Das Jaulen bringt sie zur Besinnung. Sie tastet nach der herabhängenden Hose des Mannes, fühlt den Geldbeutel, zieht ihn heraus, dreht sich zur Seite, sodass sie mit dieser Bewegung das Portemonnaie in ihrer Parka-Tasche verschwinden lassen kann.
Ramona, eine Zellengenossin, von Beruf Prostituierte, spezialisiert auf Beischlaf-Diebstahl, hatte ihr oft ge-nug erklärt, wie sie es anstellen sollte. Eva ist überrascht, wie leicht das ist. Eine jähe Freude durchflutet sie. So hat sie doch etwas in den letzten Jahren gelernt. Wenn sie nicht zurück in die ‚gute Gesellschaft‘ kann, soll es ihr an nichts auf der anderen Seite fehlen.
Der Mann redet etwas.
„Wie bitte?“, fragt Eva.
Er entschuldigt sich für die beiden Ohrfeigen. Jetzt werde er sie nach Hause fahren. Vielleicht könne man sich mal wiedersehen. Sie hätten sich doch gut ver-standen.
„Ja“, sagt Eva. „Goethestraße 5.“
Dort hatte mal eine Freundin gewohnt, früher, im vorigen Leben, bevor all das passiert war, was sie teilweise dem Mann anvertraut hatte.
Der schaut sie an mit blödsinniger Dankbarkeit in den Hundeaugen, weil sie ihn nach zwei Ohrfeigen range-lassen hat. Schnell springt sie aus dem Auto, nachdem er in die Goethestraße eingebogen ist und sie ihm bedeutet hat, anzuhalten, knallt die Tür zu, mit-ten hinein in seine Abschiedsworte. Bloß weg, bevor er merkt, was ihm fehlt. Sie verschwindet hinter der nächsten Ecke, drückt sich in einen Hauseingang und zieht die Geldbörse heraus. Achthundert Mark. Es hat sich gelohnt. Damit wird sie sich eine gute Zeit ma-chen.

In der Notunterkunft Tattenbachstraße 5, wo sie auf Betreiben ihres Bewährungshelfers untergekommen ist, darf niemand etwas von ihrem Reichtum erfahren. Alle würden sie anpumpen. Der Bewährungshelfer würde fragen, woher das Geld stamme.
Eva freut sich darauf, mit den knisternden Scheinen in der Tasche, im Bewusstsein ihres Reichtums, von dem nur sie allein weiß, in der Stadt herumzustreifen. Sie wird sich ins Café setzen wie die älteren Damen mit den lila Haaren, denen die Welt gehört. Latte macchiato und Schwarzwälder Kirschtorte wird sie sich bestellen, anschließend ins Kino, vielleicht sogar in den Zirkus. Dort war sie noch nie. Gern würde sie Kettenkarussell fahren wie als Kind, als das Vergnügen nur einen Groschen kostete.