14.11.2018 - aktuelle Autorin - Laura Sheila Jünemann



Karierte Kreise
Laura Sheila Jünemann

Dass wir alles sind, aber keine Freunde, das habe ich gesagt.
Ich würde wegfahren, das würde ich, wenn ich könnte.
Weg von dort, wo meine Seele glaubt zu wohnen.

Der Küchentisch. Nichts wirklich Besonderes. Nichts wirklich Sauberes. Direkt vor mir.
Mit einem Teller drauf und darauf ein Brot. Aber ich weiß nicht, von welchem Bäcker es kommt.
Und ich weiß auch nicht, welche Käsesorte ich da erschmecke. Leerdammer? Schimmelkäse? Gouda?
Alles Käse ... den man essen kann, vermutlich.
Paps hat eingekauft.
Die Fenster müssten mal geputzt werden. Auch wenn man Regen nicht wegputzen kann. Oder totes Laub.
Vielleicht habe ich ja Hunger, überlege ich. Das ist seit einiger Zeit eine Frage, die schwer zu beantwor-ten ist, denn mein Magen fühlt sich seltsam zusam-mengezogen an.
Schwarze Rosen, grüne Augen, blau kariert.
Butterkäse vielleicht?
Ich stütze meinen Kopf mit der Hand ab. Schon wie-der nass. Fünf Minuten vergehen, vielleicht fünfzig.
„Alex?“, fragt Paps´ Stimme. Vermutlich sieht er mich an.
Ja. Er ist etwas blass. Seit ein paar Tagen schon. Ist er krank?
„Wie geht es dir?“, fragt ein Automatismus, der nicht darauf programmiert ist, einer Antwort zuzuhören.
„Steh auf, zieh dich an, geh nach draußen, kalt ist es sowieso.“
Eine Hand legt sich auf meine Schulter, aber ich spü-re nichts. Nichts, was ich spüren wollen würde.
Paps und ich stehen im Flur und uns beiden kommt nicht in den Sinn, das Licht anzustellen.
„Pass auf dich auf“, murmelt er.
„Meine Güte, hör endlich auf, dir Sorgen zu machen“, schnappe ich zurück. Ich frage mich, ob ein „Ok“ es nicht auch getan hätte.
Raus, kalt, Schauer in den Fingerspitzen. Schwere Wassermassen krachen auf die Erde, mit denen nicht mal meine Augen konkurrieren könnten.
Verlieren, verlieren würde ich sogar gegen den Re-gen.

Da sind Menschen. Natürlich Menschen, die ich ken-ne. Das hier ist ja auch meine Schule.
Zehn Schritte geradeaus, vier zur Seite, Knie einkni-cken, Halt auf dem Stuhl finden. Auftrag erfüllt.
Die Mensa ist halb voll. Oder halb leer, wie man es nun mal nimmt.
Da kommt jemand.
Ich habe zwar nichts gegessen, aber jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass ich keinen Hunger habe.
Rosenschwarz und Katzengrün. Alles tut weh.
Aber ich sitze. Alles wird gut, denn ich sitze.
Jetzt ist die Mensa auf einmal überfüllt.
Und wer, wer soll gehen?
 

Laura Jünemann, 18 Jahre, Mitglied der Schreibwerkstatt des Gymnasiums Antonianum, demnächst mit einem eigenen Band im Geest-Verlag