17.01.2022 - aktuelle Autorin - Irmgard Lauff

 

Irmgard Lauff (Pseudonym)

Irmgard Lauff, Autorin, Lyrik und Prosa, Arbeit in sechs verschiedenen Berufen, lebte 20 Jahre in vier Ländern mit vier Kindern und Ehemann, lebt jetzt in Berlin.

 

aus Ihrem Roman: Perlen in Ihrer Hand

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Prolog


Urmüttertum

Von 1000 Müttern komm ich her
und bin von ihren Sorgen schwer
Ihr Wesenserbe ruht in mir
Es wuchs als sehnende Kraft
als Liebe, Wille, Leidenschaft

Strom, der aus fernem Quell entsprang
er trägt mich wie er mich durchdrang
Ich weiß, wie sehr wir Nachhall sind
und wie Gewes’nes uns umspinnt
und einst und heut’ zusammenrinnt

Verfasser/in unbekannt



1951 kommt Lili mit ihrer 6-jährigen Tochter Anna aus der Evakuierung im Emsland zurück nach Köln zu ihrer Mutter Flora, zu Annas Großmutter. Von nun an leben die drei zusammen, eine 72-Jährige, eine 44-Jährige und eine 6-jährige Erstklässlerin. An-na erinnert sich an die Großmutter, das, was sie er-zählt hat, das, was Anna mit ihr erlebt hat, das, was Anna beobachtet hat, das, was Anna fantasiert hat. Sie stellt sich vor, was Großmutter denkt und fühlt:



1.

Nein – ich bin nicht die Oma: ‚Die Oma fürs Gröbs-te‘! Meine Enkel – ich habe übrigens 27 – sollen mich Großmutter nennen. Das drückt ein wenig Ehrerbietung aus. Vielleicht auch Distanz, aber das ist mir nur recht. Wie soll ich das aushalten, wenn 27 Kinder sozusagen an meinem Rockzipfel hängen würden? Sie sind außerdem über das ganze Land verstreut und auch über eine große Zeitspanne, ungefähr 30 Jahre. Ich hätte nie gedacht oder gewünscht, eine so große Nachkommenschaft zu haben. Ist es nicht eher eine Strafe? Strafe mag ein wenig scharf klingen, aber hat sich je jemand dafür interessiert, was ich mir wünsche?
Es geht nicht um meine Wünsche, darum ging es nie. Es geht darum, seine Aufgabe zu erfüllen, seine Pflicht zu tun. Das sollte mein Wunsch sein. Alle an-deren Gedanken sind verwerflich. Ich habe meine Pflicht getan. Ich habe mich so angestrengt. Aber immer hatte ich den Eindruck, es reicht nicht, es ist nicht genug. Mehr kann doch niemand verlangen.

Heute sitze ich hier, 1951, 6 Jahre nach Kriegsende, in ei-nem Wiederaufbau, im zweiten Stock. Ich habe eine Drei-zimmerwohnung mit Bad. Zwei Zimmer werden mit neuartigen Gasöfen geheizt, das Wohnzimmer und mein Zimmer. Schon komisch mit dem Gas, ob das stimmt mit den KZs? Mein Gott, ich will das alles gar nicht wissen. Eine so furchtbare Welt. Zwei Kriege. Wie Gott das zulassen konnte!