27.09.2021 - aktuelle Autorin - Barbe M. Linke

 

Barbe Maria Linke

in Pommern, im heutigen Polen, geboren, in der DDR aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie konnte, nachdem verschiedene politische Widerstände überwunden waren, an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin Theologie studieren.
Die erste Pfarrstelle, in der ihr Mann Dietmar Linke und sie arbeiteten, war Meinsdorf-Wiepersdorf. Wiepersdorf ist bekannt durch die Dichterin Bettina von Arnim, die Frau, die an Goethe und an den König schrieb. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Gutshaus der Arnims, ein Aufenthaltsort für Kulturschaffende der DDR.
Hier lernt sie Maxie und Fred Wander kennen. Diese Freundschaft hat sie geprägt.
Politisch tätig war sie in den Gruppen Frauen für Frieden. Und Friedenswerkstatt Ost-Berlin.
Im Dezember 1983 wurde die Familie aus der DDR ausgebürgert.
In West-Berlin war es Jürgen Fuchs, mit dem sie nicht nur die politische Arbeit verband. Er war es, der forderte: Schreibst du, Barbe! Es geht um Wahrnehmung, sagte Fuchs, um das genaue Beobachten von dem, was geschieht, hier und anderswo.

Barbe Maria Linke lebt in Berlin, schreibt Gedichte, Essays, Erzählungen, Romane.
Sie sagt: Den Gedanken eine Form geben. Sie einfangen, wie einen Fisch. Den Fisch füttern, um ihn frei zu lassen.



Linke, Barbe Maria



 
aus Auszug
 
Noch hänge ich jener Reise nach. Ich bin aus Berlin weg-gefahren, ich muss diese Geschichte beenden. Ich sehe auf grüne Saat, auf Nadelgewächse, ab und zu kommt eine Amsel, hüpft unter einen Strauch.
Ich esse Gras, stäube das Himmelgrau drüber, trinke den Morgentau.
Zonengrenze lese ich an der Straßenecke im Dorf. Und 3 km.



Mit diesem Traum aufwachen

Im Bett rekeln, unter die Dusche gehen, erst warm, dann kalt duschen, eine Hautcreme suchen. Zähne putzen, kräftig gurgeln. Ausspucken. Ihr Staunen: Das bin ich?
Der Gang durch den langen Flur in die Küche. Die Thermoskanne wie jeden Tag auf dem Tisch. Carl ist noch da, rumort in seinem Zimmer. Sie geht zu ihm, bleibt im Türrahmen stehen. Mit der Tasse in der Hand setzt sie sich in den Clubledersessel, der einer Hutmacherin aus Luckenwalde gehört haben soll.
Möchtest du auch einen Kaffee? Er nickt, setzt sich ihr gegenüber. Das schmale Gesicht, Schatten unter den Augen. Hände, die herumtasten, den Pfeifenstopfer suchen. Carl nimmt einen Brieföffner, drückt damit den Tabak fest. Mira betrachtet die Falte, die sich eingegraben hat zwischen Nasenwurzel und Stirn. Was zieht mich hierher in sein Zimmer? Nach langen, schwierigen Jahren? Sie weiß es. Ich brauche diesen Morgenaugenblick.