29.09.2020 - aktueller Autor - Jürgen Niederführ

 

Jürgen Niedenführ
wurde 1941 in Oberschlesien gebo­ren. Nach der Vertrei­bung lebte er ab 1946 in ver­schiedenen Orten in Nieder­sachsen und NRW. Seit 1996 wohnt er in Wuppertal.
Das Abitur absolvierte er am Gymnasium Carolinum in Osnabrück. Danach Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch, Philosophie und Geschichte, Lehrer, dann Dozent am Institut für Lehrerfortbildung. In seinen Kursen für das Fach Deutsch setzte er den Schwerpunkt auf die Entwicklung des kreativen Schreibens bei Lehrenden und Lernenden.
Nach Beendigung der Dozententätigkeit verstärkte sich bei ihm der Wunsch nach eigener intensiver kreativer Gestaltung.

Im Geest-Verlag erschienen

http://geest-verlag.de/buecher/j%C3%BCrgen-niedenf%C3%BChr-sie-nannten-i...

Jürgen Niedenführ
Sie nannten ihn
Don Juan
Roman
Geest-Verlag 2019

ISBN 978-3-86685-731-5
12,80 Euro

 

Auf einem abgeernteten Roggenfeld in der Nähe eines be- schaulichen Dorfes im Münsterland wird eine übel zugerichtete und spektakulär zur Schau gestellte Leiche entdeckt. Die Ermitt-lungen der Polizei gestalten sich schwie­rig. Wer ist dieser geheim-nisvolle Tote?
Facettenreich entfaltet sich die Handlung im Zusammenspiel verschiedener Personen, durchsetzt mit Prisen schwarzen Hu- mors, fantastischen Entwicklungen und kritischen Ausblicken. Nicht zuletzt gibt eine Gemeinschaft mit recht eigenwilligem religiösen Duktus Rätsel auf. Welche Rolle spielt sie in dem Geschehen? Und natürlich sind gute Speisen und Getränke in diesem Roman von Bedeutung, denn Amor gedeiht nicht im Klima der Askese.

Auszug:

Man fand ihn im schönsten herbstlichen Schein der auf-gehenden Sonne mitten auf einem abgeernteten Roggenfeld. Er lag da, als habe man ihn dort aufgebahrt, zumindest lag er so, dass seine Wunden richtig zur Schau gestellt wurden. Polizisten schwirrten umher und mühten sich, den Tatort möglichst weiträumig abzusperren, um die Bewohner des Ortes vor dem Anblick dieser Gewalttat zu bewahren und einen ungestörten Verlauf der nun beginnenden Ermittlungen und Spurensicherung zu gewährleisten. Doch die Neugierde hatte sich schon hinreichend zufriedengestellt. Viele kehrten bereits um, sie hatten genug gesehen. Man begegnete sich mit einem vielsagenden Blick, der eingebunden war in ein seltsames Lächeln. „Nee, so was“, raunte man sich zu, „also so was mit dem Ding auch! Tot hätte doch genügt, oder?“ Man versicherte sich gegenseitig, die tollsten Abscheulichkeiten erblickt zu haben. Es ging wie ein Lauffeuer durch das Dorf, und wann hatte man das schon mal hier im Dorf, einen Ermordeten, der offen zur Schau gestellt wurde. Fast alle Bewohner, die irgendwie Zeit hatten, drängelten sich, um wenigstens einen Blick auf das Ungeheuerliche geworfen zu haben.
„Du lieber Himmel!“, sagte Kommissar Büscher von der Kripo Ibbenbüren, „was ist mit dem denn passiert? Die Woche fängt ja gut an!“ Die Leiche war völlig unbekleidet und übersät mit Wunden, die von Stichen herzurühren schienen. Das Gesicht war interessanterweise unbeschädigt und das Geschlecht des Mannes lag sorgfältig drapiert da. Es ruhte auf einer Konstruktion, die aussah wie die Stafette für eine Spielzeugkanone und war provokant nach oben gerichtet. „Das ist ja ein Ding“, murmelte der Kommissar, „so etwas habe ich nicht einmal während meiner Zeit in Köln gesehen.“ Obwohl der Mann mitten auf dem Feld lag, fielen Büscher keine frischen Spuren auf. Es gab nur die Abdrücke der Fahrzeuge, die man vor Tagen für die Ernte benutzt hatte.
„Skurril und unappetitlich“, bemerkte Büscher, als er die Beamten der Spurensicherung begrüßte, „und so was hier in Hopsten. Na, da bekommen wir ganz schön was zu tun.“
„Wie zum Teufel ist es möglich?“, wandte er sich an seine Assistentin Greta Gensch, „dass halb Hopsten offensichtlich vor uns am Fundort gewesen ist?“
Lächelnd erwiderte sie, dass sie genau das auch nicht wisse. Sie habe nur aus Gesprächsfetzen entnommen, die Nachricht über einen seltsamen Leichenfund habe sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Außerdem amüsierte es sie, dass ihr Chef jedes Mal nervös wurde, wenn er vor einer Leiche stand.
„Hoffentlich kann die ganze Geschichte hier bis 12:00 Uhr abgeschlossen sein“, grummelte Büscher. „Nicht, dass wir außer dem Volk auch noch die Schulkinder als Zaungäste abwehren müssen, wenn sie wieder nach Hause gehen. Ich möchte das Geschrei der Hopstener nicht erleben, wenn wir nicht ihre Kinder vor diesem Anblick schützen.“