17a ) Die Pädagogischen Handreichungen für die 17. Anthologie Punkt.


Pädagogische Handreichungen zur Ausschreibung der 17. Essener Jugendanthologie 'Punkt.' Herausgeber Artur Nickel gibt Tipps und Informationen zum Schreiben mit Jugendlichen in Schulen etc.

Pädagogische Handreichungen
'Punkt.'

 
Handreichungen mit pädagogischen Zusatzinformationen


Ein Buchprojekt in Kooperation zwischen dem
Kulturzentrum Grend/Festival „Literatürk“ in Essen und dem Geest-Verlag aus Vechta

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dem großen Erfolg der letzten Essener Anthologie mit dem Titel „Auf-BRUCH in meine Zukunft“ wollen wir jetzt ein neues Buchprojekt für Kinder und Jugendliche zwischen zehn und zwanzig Jahren aus dem Ruhrgebiet starten, es ist bereits das siebzehnte. Diesmal geht es um den Weg, auf dem wir uns befinden, und das, was auf ihm passiert. Und wieder wollen wir mit Ihnen gemeinsam etwas Besonderes schaffen. Sie, sehr verehrte Damen und Herren, haben Kontakt zu jungen Menschen. Deshalb bitten wir Sie um Ihre Unterstützung und um Ihr Engagement!

Was wir wollen

Mit dieser Buchreihe und insbesondere mit diesem neuen Buchprojekt wollen wir gerne

•     Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationsgeschichte in der Familie zum freien
Schreiben anregen,
•     ihnen bis in bildungsferne Schichten hinein über das Schreiben neue Perspektiven
eröffnen, wie sie sich mit ihren Vorstellungen und Bedürfnissen in unsere Gesellschaft einbringen können,
•     für sie Leistungsanreize schaffen, indem herausragende „literarische“ Einzelleistungen mit
der Aufnahme in die Anthologie belohnt werden,
•     ihnen ein literarisches Podium für eine gelungene Verständigung mit sich selbst und anderen
bieten,
•     Brücken bauen, wo es notwendig ist,
•     einen Beitrag zur ästhetischen Erziehung leisten,
•     auf literarischer Ebene Impulse für eine intensive Bildungsarbeit setzen.

Am Ende soll ein Buch stehen, in dem die interessantesten Texte veröffentlicht werden, die im Rahmen des Projektes entstanden sind.

Die Chance zur Standortbestimmung

Das Ziel dieser Reihe ist es, einen ganz besonderen Blick auf die Sichtweisen von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund im Ruhrgebiet zu werfen. Was bewegt sie? Was fühlen sie? Wofür stehen sie? Wohin wollen sie? Es sind Fragen, deren Beantwortung für uns alle wichtig ist. Denn wie sie junge Menschen beantworten, zeigt an, wohin die Reise unserer Gesellschaft geht. Gelingt es, die Kinder und Jugendlichen in unsere Erwachsenenwelt zu integrieren? Werden sie ihren Platz in unserer Gesellschaft finden, egal, ob sie in Deutschland geboren wurden oder nicht?
Fast schon seismographisch zeigen die sechszehn Anthologien, die bisher erschienen sind, auf, was sich bei den Kindern und Jugendlichen im Ruhrgebiet verändert und wo sie Kontinuitäten bewahren. Das geschieht sicherlich nicht mit Hilfe wissenschaftlich-exakten Methoden, wohl aber sehr persönlich und authentisch. Auf diese Weise sind die Essener Anthologien, die Ruhrlesebücher, mit ihren inzwischen über eintausendsechshundert veröffentlichten Texten geradezu zu einem Schatz der Jugendkultur geworden. Es ist wohl die einzige Buchreihe in der Bundesrepublik Deutschland für diese Altersgruppe, die so lange existiert und wirkt! Das jeweils neue Thema entsteht dabei immer wieder in Auseinandersetzung mit dem, was an Beiträgen für die letzte Anthologie erschrieben worden ist und was sich vor diesem Hintergrund an zentralen Fragen stellt. Genauso ist es auch bei dem neuen Buchprojekt.
Die bisherigen Titel:

„Fremd und doch daheim?!“, Vechta 2005,
„Dann kam ein neuer Morgen“, Vechta 2006,
„Heute ist Zeit für deine Träume“, Vechta 2007,
„Pfade ins Revier – Pfade im Revier“, Vechta 2008,
„Ruhrkulturen. Was ich dir aus meiner Welt erzählen möchte“, Vechta 2009,
„Märchenhaftes zwischen Emscher und Ruhr“, Vechta 2010,
„Zwischen meinen Welten unterwegs“, Vechta 2011,
„Wenn Wasser erzählt“, Vechta 2012,
„Dann öffnete sich mir die Tür“, Vechta 2013,
„Wie die Zeit vergeht“, Vechta 2014,
„Was mir Hoffnung macht“, Vechta 2015,
„Von Grenzen und Grenzverschiebungen“, Vechta 2016,
„WER ich WO bin?!“, Vechta 2017,
„Vom Glück und seinen Launen“, Vechta 2018,
„Ich begann zu erzählen“, Vechta 2019,
„Auf-BRUCH in meine Zukunft“, Vechta 2020.

Das neue Schreibprojekt

„Punkt .“ heißt das neue Thema. Es ist eines, das auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich, ja abstrakt, wirkt. Auf jeden Fall steht es in enger Verbindung zum vorherigen. Während die Frage nach dem Auf-BRUCH in die eigene Zukunft den Blick auf den Ausgangspunkt und das Ziel einer Reise richtet, fragt das neue Thema eher danach, was auf dem Weg dorthin passiert, ohne den Ausgangs- und den Zielpunkt zu vernachlässigen. Dort gibt es viele Punkte zu finden, je nachdem, wo man sich gerade aufhält, wie man vorwärtskommt, wohin man genau möchte und wie es einem dabei geht: Markierungspunkte, Kreuzungspunkte, Haltepunkte, tote Punkte, Aussichtspunkte, Wendepunkte und so weiter und so fort.
Solche Punkte möchte die neue Anthologie gerne aufgreifen und thematisieren. Sie sind gerade für junge Menschen wichtig, kristallisiert sich doch an ihnen heraus, wie sie auf ihrem Weg, auf dem sie sind, vorwärtskommen. Wie geht es ihnen unterwegs? Welche Möglichkeiten haben sie und an welche Grenzen stoßen sie? Und das vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, die leider noch immer nicht ihren Höhepunkt überschritten hat, Sie treibt weiter ihr Unwesen mit allen Folgen, unter denen (auch) junge Menschen leiden. Für die einen ist es vielleicht ein bestimmter Standpunkt, mit dem sie sich auseinandersetzen, für die anderen ein Fehlerpunkt und wieder für andere womöglich sogar ein Wendepunkt, an dem sie sich zur Umkehr entschließen, um vorwärtszukommen.
Alle diese Gesichtspunkte sind zumeist spannungsgeladen und fordern die Beteiligten bis ins Gefühlsleben hinein heraus! Das gilt vor allem für Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg ins Erwachsenwerden. Sie fragen und sind gleichzeitig in Frage gestellt: Womit müssen wir rechnen? Was passiert mit uns, mit unseren Mitmenschen? Was mit unserer Kultur, mit unseren religiösen Traditionen? Was bleibt? Was verändert sich? Oder müssen wir damit rechnen, dass, das, was wir uns aufgebaut haben, wieder in sich zusammenfällt?  Manches haben wir in unserer Hand und können wir ganz konkret beeinflussen, anderes wohl eher nicht. Was können wir tun und was tun wir? Warum? Mit welchem Ziel?  Das sind Fragen, die beantwortet werden wollen, und Erzählpunkte, die interessant und wichtig sind.
Darüber zu schreiben, kann Kindern und Jugendlichen helfen, sich ihrer selbst zu vergewissern, den eigenen Standort zu finden, Perspektiven zu formulieren und möglicherweise auch Wege zu finden, wie es weitergehen kann, wenn sie sich vor einer Mauer wiederfinden. In jedem Fall bietet ihnen ein solches literarisierendes Schreiben direkt und indirekt eine Orientierung, wo sie gerade sind.


Worum geht es genau?

In den Blick nehmen wollen wir dieses Mal gerade diese Phase zwischen dem Start- und dem Zielpunkts eines Wegs, vielleicht sogar eines Lebenswegs. Also die Phase, in der Anspruch und Wirklichkeit aufeinanderprallen, manchmal sehr freundlich, manchmal aber auch unerbittlich, ja, unversöhnlich. Es ist die Phase, die immer wieder Brüche hervorruft, aber auch ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, wenn es den Akteuren gelingt, die Stolpersteine zu überwinden und den Fallstricken zu entkommen. Und manchmal eröffnet gerade diese Phase auch einen Weg, der nicht nur zum erstrebten Ziel, sondern darüber hinausführt, weil er neue Perspektiven eröffnet. Natürlich ist das nur ein Bild für das, was gefragt ist bei diesem Projekt, eines, das viele Facetten hat, je nach dem, wer oder was Wegbereiter oder Stolperstein ist. Für den einen ist beispielsweise die Familie ein Wegbereiter, für die andere jedoch ein Stolperstein. Genauso ist es mit Freundinnen oder Freunden, anderen Menschen, die man unterwegs trifft, aber auch mit den eigenen Feinden. Auch sie können beides sein, je nach dem. Und dabei ist die Schuldfrage noch gar nicht entschieden. Nichts ist so eindeutig, wie es ist. Oder etwa nicht? Und so bewegen wir uns alle zwischen unseren Kulturen, Religionen, Bedürfnissen und Notwendigkeiten hin und her, die Kinder und Jugendlichen im Revier insbesondere.

Mögliche didaktische Leitfragen

Es stellt sich daher die Frage, wie junge Menschen die Geschichte finden, die sie erzählen wollen oder sollen. Dafür bieten sich verschiedene Ansatzpunkte an. Da ist zunächst einmal ihre Alltagserfahrung, das, was sie tagtäglich erleben, womit sie sich auseinandersetzen. Das kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem, welche Perspektive sie einnehmen. Die einen engagieren sich vielleicht in einem Verein, die anderen in ihrer Kirchen- oder Moscheegemeinde und wieder andere in ihrer Synagoge. Wieder andere wiederum leben, aus welchem Grund auch immer, in prekären Verhältnissen und müssen jeden Tag um ihren ganz konkreten Weg in den Tag kämpfen. Und wieder andere haben vielleicht mit ihren Familien Fluchterfahrungen sammeln müssen, sind traumatisiert und müssen sich zwischen dem Alltagsrassismus bei uns und dem aufkeimenden Nationalismus tagtäglich zurechtfinden. Und dann gibt es sicherlich auch diejenigen, die durch alle gesellschaftlichen Maschen fallen und alleine dastehen, ohne zu wissen, wie es für sie vorwärtsgeht.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Auseinandersetzung mit der eigenen religiösen und kulturellen Tradition, mit dem, was sie mitbringen, teilen und was sie in der eigenen Familie leben. Was hat Bestand, weil es einen hält und in die Zukunft trägt? Was muss abgestreift und beiseitegelegt werden, weil es zum Ballast, zum Hemmschuh geworden ist? Trägt die Antwort, die die eigene Religion auf die Lebensfragen gibt, oder nicht? Was bewährt sich im Alltag und hält einen fest? Oder steht man an einem Punkt, bei dem es keinen Ausweg mehr gibt? Das betrifft das eigene Selbst, aber auch unsere gesellschaftlichen, ja auch weltweiten Zukunftsfragen, die auf ihre Beantwortung warten. Es geht um den Punkt, den eigenen, an dem man steht!  Denkbar ist vieles.
Helfen können bei der Suche nach dem, was man erzählen möchte, aber auch einige Leitfragen:

1.    Schreibe möglichst viele Worte und Redewendungen auf, in denen das Wort „Punkt“ vorkommt!
2.    Suche dir ein oder zwei Worte oder Redewendungen davon aus, die dir besonders sympathisch oder unsympathisch sind (es können ja nach Wahl auch solche sein, mit denen du etwas Besonderes erlebt hast oder die dir auf andere Weise wichtig geworden sind)!
3.    Notiere dir dazu, warum das so ist und was du mit ihnen verbindest!
4.    Schreibe dazu einen Text!

Gerade Jüngeren kann ein solches Vorgehen eine Brücke bauen. Immer geht es darum, reale Ansatzpunkte zu finden, mit denen man sich auseinandersetzen möchte, und darum, im Schreiben Möglichkeiten auszuprobieren, wie man vorwärtskommen kann mit all den Fallstricken und Fallgruben, die es wohl gibt. Immer zwischen dem realen Leben und einer Fantasiereise unterwegs! Auf diese Weise können schreibend Wegmarkierungen gesetzt werden, Wegweiser und anderes mehr, was weiterhelfen kann. Vieles ist denkbar, und zwar jenseits dessen, was die Filmprogramme im Fernsehen oder im Netz bieten.

Selbstbestimmtes Schreiben im Revier

Das Schreiben ist gerade für Kinder und Jugendliche eine Chance. Vieles kann auf den Tisch kommen, je nach dem, was ihnen auf der Seele brennt und was sie intensiv beschäftigt. Immer wieder sind es kleine Erlebnisse, die sie innerlich berühren, manchmal aber auch äußere Widerfahrnisse, denen sie sich stellen müssen. Mal geht es um kleine Beobachtungen, die interessant und mitteilenswert erscheinen; mal sind es Schicksalsschläge, die sie aus der Bahn werfen und von ihnen eine Neuorientierung verlangen. Es sind äußere Vorkommnisse wie innere Prozesse gleichermaßen, denen sie sich stellen müssen, und von ihnen können sie schreiben. Denn das hilft. Das geht Kindern und Jugendlichen genauso wie uns Erwachsenen. Zum einen können sie das Dargestellte, indem sie es aufschreiben, loslassen und besser bewältigen. Zum anderen können sie damit auch Dinge im Wortsinn zur Sprache bringen, die ihnen noch nicht so klar sind. Dann können sie sich auf diesem Weg auch positionieren und einen Standpunkt beziehen, etwa zu einem Vorfall, der sie umtreibt. Sie können sich sogar, indem sie dies tun, in eine bestimmte Tradition stellen und deutlich machen, dass sie sich mit ihr identifizieren oder gerade dies eben auch nicht tun. Und schließlich können sie erzählend auch etwas entwerfen, das vielleicht erst in der Zukunft für sie relevant wird. Das Schreiben unterstützt sie entwicklungspsychologisch auf ihrem Weg ins Erwachsenwerden; es hilft ihnen, ihren persönlichen Lebensentwurf zu finden und vorwärtszukommen. Und das mitten bei uns im Ruhrgebiet! Zwischen den vielen Kulturen und Religionen, die bei uns zu Hause sind! Gerade jetzt nach dem Ende des Bergbaus. In einer Zeit der Unruhe, des Umbruchs.
Das Schreiben ist dabei nicht, wie vielleicht vielfach im Unterricht, Mittel zum Zweck, sondern gewinnt seinen Wert aus sich heraus. Jeder Einzelne soll zu Wort kommen, ja, zum Wort in dem, was ihm wichtig ist und worüber er sich äußern möchte. Vielleicht sogar jenseits aller Narrative und Konventionen, die uns prägen und womöglich unser Eigenes zu verschütten drohen! Selbstbestimmtes Schreiben ist gefragt, eines, das nicht gleich von außen gesetzte Erzähl- und Schreibnormen einfordert, sondern die innere Konsistenz eines Vorgangs in den Mittelpunkt rückt und diesen unterstützt. Das kann (auto-) biografisch sein, muss es aber nicht. Denkbar ist genauso gut ein fiktives Erzählen oder eines, das noch ganz anderen Kriterien folgt, je nach Wunsch des Schreibenden. Natürlich heißt das nicht, dass die Schülerinnen und Schüler alles, was sie in der Schule und sonstwo an Erzähltechniken gelernt haben, beiseitelegen müssen; sie können das Gelernte gerne im intendierten Sinne nutzen. Das versteht sich von selbst. Es geht darum, dass sie wirklich zu Wort kommen. Das ist wichtig.

Die richtige Wahl der Schreib-Orte und Schreib-Zeiten

Eine besondere Bedeutung gewinnt vor diesem Hintergrund der Schreib-Ort, also der Ort, wo die Jugendlichen das, was sie mitteilen wollen, zu Papier bringen. Achten Sie bitte darauf, dass sie zum Arbeiten einen Ort haben, an den sie sich zurückziehen und an dem sie sich wohlfühlen können. Was das für ein Ort ist, kann ja sehr unterschiedlich sein. Bei dem einen ist es das eigene Zimmer, bei dem anderen ein Lieblingsort irgendwo draußen. Genauso ist es mit der Schreib-Zeit. Der eine braucht die Geräuschkulisse des Tages in der Umgebung, der andere die Stille der Nacht. Schaffen Sie, wenn möglich, die Rahmenbedingungen dazu, egal, ob es um die Schule oder um ein Freizeitschreiben geht.


Bei uns im Ruhrgebiet

Gerade bei uns im Revier ist die Frage nach dem Weg in die Zukunft von zentraler Bedeutung. Viele Menschen sind ins Revier eingewandert, um hier bei Kohle und Stahl ihr Auskommen, ihre Zukunft zu finden. Andere kamen, weil sie woanders verfolgt wurden und bei uns Sicherheit für sich und ihre Familien suchten. Das begleitet uns schon lange. Die Frage nach dem, wie es weitergeht, ist die Existenzfrage des Ruhrgebiets schlechthin, und zwar mit allen dazugehörenden Schwierigkeiten und Konflikten. Sie ist der Grund, warum so viele Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen bei uns zusammenleben, ja, vielleicht auch zusammenleben können. Und das gilt nach dem Ende des Bergbaus in unserer Region umso mehr. Die Jugendlichen, die bei uns zuhause sind, sind mit diesen Fragen groß geworden. Sie erleben sie, sie erleiden sie, wie auch immer. Insofern dürfte das, was sie dazu zu sagen haben, besonders interessant sein in unserer global zugespitzten Situation. Wie gehen sie mit den existentiellen Bedrohungen um? Wie bewältigen sie ihren Alltag? Welche Richtung schlagen sie ein? Und: Welche Ideen und Vorstellungen entwickeln sie? Welche Hoffnungen haben sie, welche Ängste? Zu fragen ist auch, was das alles für das Zusammenleben zwischen den verschiedenen Kulturen bei uns bedeutet! Was lebt bei den Kindern und Jugendlichen weiter? Was nehmen sie mit? Wie wehren sie sich gegen Unzumutbarkeiten? Welche Perspektiven eröffnen sich gerade jungen Menschen hier im Revier? Ist vielleicht so etwas wie ein Auf-Bruch ins Künftige zu spüren, der Wille, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen? Vieles davon wird sich sicherlich in den literarisierenden oder auch literarischen Texten, spiegeln, die die Jugendlichen schreiben. Der Schmelztiegel Ruhrgebiet steht da für sich. Das aber sind nur einige Ansätze, auch anderes ist denkbar. Im Mittelpunkt sollte auf jeden Fall das stehen, was den Jungautorinnen und -autoren auf dem Herzen liegt.

Ausblick

Und so lädt die neue Essener Anthologie alle Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und zwanzig Jahren, die bei uns im Revier leben, dazu ein sich mit dem Thema „Punkt .“ auseinanderzusetzen und darüber zu schreiben. Was erleben sie bei sich und in ihrem Umfeld? Welche Erfahrungen sammeln sie? Wie gehen sie mit den daraus resultierenden Problemen um? Was zeigt sich beim Blick in den eigenen Spiegel? Vor allem, wenn die verschiedenen Erzähl- und Schreibkulturen, die es im Revier gibt, miteinander in Verbindung treten! Was wird da entstehen? Was die Jugendlichen uns über dieses Thema mitzuteilen haben, ist mit Sicherheit interessant auch über unsere Region hinaus. Vielleicht ist es beispielgebend. Wer weiß! Umso wichtiger ist es, das Ganze mit ihnen gemeinsam anzugehen!

Unsere Bitte

Aus diesem Grunde sprechen wir Sie, verehrte Moderatorinnen und Moderatoren, persönlich an! Geben Sie den Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen, in denen Sie arbeiten und mit denen Sie zu tun haben, Raum, sich mit der Thematik zu befassen! Davon auszugehen ist auf jeden Fall, dass das, was bei jungen Menschen auf erzählerischer Ebene passiert, in vielerlei Hinsicht sein Pendant bei ihnen selbst findet. Und das ist gerade für ihr Lebensalter wichtig. Es ist ein Schritt sprachlicher „Verortung“, der sie den Blick nach vorne richten und Perspektiven entwickeln lässt. Woher komme ich? Was will ich? Was kann ich? Wie kann ich das, was ich will, erreichen? Es sind Fragen, die ihnen Wege eröffnen, sich kritisch und selbstkritisch mit der eigenen Vergangenheit, der eigenen Gegenwart und der eigenen Zukunft zu befassen. Das gilt für alle, egal, wo sie geboren wurden oder woher sie stammen. Und das ist für jeden, der mit jungen Menschen zu tun hat und sich für ihre Belange interessiert, etwas, an dem er eigentlich nicht vorbeigehen kann. Er muss darum wissen, wenn er sie erreichen will.

Von sich selbst erzählen

Wenn sich Kinder und Jugendliche mit dieser Thematik beschäftigen, so berührt das zentrale Fragen ihrer Existenz. Der Schweizer Autor Peter Bichsel sagte schon 1982 in seinen Frankfurter Poetik-Vorlesungen: „Wer sich auf das Erzählen einlässt, der (...) tut es, um sein Leben zu leben.“ (P. B., Der Leser. Das Erzählen, Darmstadt und Neuwied 1982). Dieser programmatische Satz könnte auch für das stehen, was die neue Ruhrgebietsanthologie will. Wenn junge Menschen anfangen zu erzählen, dann sind das keine Fingerübungen. Schon gar nicht, wenn es um ihre Belange geht. Denn in ihren Texten setzen sie sich mit ihren Erfahrungen auseinander und beziehen diese auf ihre Wirklichkeit. Was sie erzählen und wie sie dies tun, spiegelt also viel von dem, was in ihnen vorgeht. Und das ist wichtig, damit sie ihre persönliche Zukunft in unserer Gesellschaft finden. Wie verarbeiten sie das, was sie erlebt haben? Wie beschreiben sie, was gewesen ist? Welche Worte finden sie für die Fakten, welche für das, was es zu gestalten gilt? Welche Erkenntnisse führen sie weiter? Gehen sie auf eine Fantasiereise oder bleiben sie im Hier und Jetzt stecken? Welche (literarische) Formkraft entwickeln sie, um das darzustellen, was sie darstellen wollen?

Tipps

Natürlich steht es jedem Jugendlichen frei, sich diesem Thema so zu nähern, wie er es gerne möchte. Gleichwohl dürften manchmal Tipps sinnvoll sein, um dem einen oder anderen Wege zu zeigen, wie er diese Thematik angehen kann. Und manchmal geht es ja vielleicht auch darum, Schreibblockaden aufzulösen und Schreibwege zu finden, die aus einer Sackgasse herausführen. Für die meisten ist ja ein solches Schreiben noch eher ungewohnt:

1.    Kreativität lässt sich freisetzen, wenn eine Geschichte aus einer ungewöhnlichen Perspektive heraus erzählt wird, etwa aus der Sicht einer anderen beteiligten Person, eines Tieres oder gar eines Gegenstandes, der sich vor Ort befindet.
2.    Manchmal ist es sinnvoll, ein Geschehen in eine andere Zeit zu verlegen, um Zusammenhänge zu verdeutlichen oder Verbindungen aufzuzeigen. So kann eine Geschichte in eine vergangene, aber auch in eine zukünftige Zeit verlagert werden, um ihr neue Erzählräume zu öffnen.
3.    Ein interessanter Verfremdungseffekt entsteht, wenn die Handlung an einen anderen Ort verlegt wird. Vielleicht in eine andere Stadt, in ein anderes Land oder sogar auf den Mond!
4.    Auch aus der Wahl der Gattung heraus lassen sich viele Möglichkeiten der Darstellung entwickeln. Denkbar ist es zum Beispiel, ein bestimmtes Geschehen nicht in die Berichtsform, sondern in ein Märchen zu gießen. Natürlich müssen solche Formen nicht vollständig ausgefüllt werden. Es geht vielmehr darum, dass die Jugendlichen für das, was sie erzählen wollen, die passende Form finden. Ein Märchen etwa ist ja nicht schon deshalb gut, weil es die Form 6 erfüllt, sondern weil Inhalt und Form einander entsprechen. Insofern kann es sinnvoll sein, Zwischenformen zu entwickeln.

Geben Sie den jungen Schreiberinnen und Schreibern die Orientierungshilfen, die sie benötigen, um sie beim Schreiben zu unterstützen. Das ist für uns kein Ausschlusskriterium.

Impulse für Ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Dass sich aus dem, was Kinder und Jugendliche sich erdichten und erzählen, wichtige Impulse für die Kinder- und Jugendpolitik sowie die Integrationspolitik ergeben können, liegt auf der Hand. Allen Institutionen, die mit jungen Menschen zu tun haben, wie Schulen, Jugendgruppen, Migrantenvereine bis hin zu den politischen Verbänden bietet das Buchprojekt eine Chance zur Standortbestimmung und zur Reflexion über das, was bisher in der Arbeit mit diesen Kindern und Jugendlichen erreicht wurde. Na ja, und vielleicht ist vor diesem Hintergrund sogar hin und wieder mit neuen Einsichten zu rechnen, und deshalb bitten wir Sie um Ihr Engagement und Ihre Unterstützung! Lassen Sie also die Kinder und Jugendlichen, mit denen Sie es zu tun haben, Texte schreiben! Entscheidend ist, dass sie auf irgendeine Weise mit dem Thema zu tun haben und interessant sind.

Ihre Aufgabe als Multiplikator

Bitte geben Sie den Kindern und Jugendlichen, mit denen Sie zu tun haben, Raum und Zeit, Texte zum Thema „Punkt .“ zu verfassen! Nutzen Sie Ihre Position als Lehrer/in, Jugendleiter/in, Sozialarbeiter/in, Erzieher/in, Elternteil, usw., ermutigen und beraten Sie sie! Ermuntern Sie sie, in der Sprache zu schreiben, in der sie sich zu Hause fühlen!
Bitte fordern Sie Flyer für die Weitergabe an Ihre Schüler/innen, Kinder und Jugendlichen an, mit denen Sie arbeiten oder zu denen Sie Kontakt haben. Geben Sie diese an sie weiter, laden Sie sie ein und leiten Sie die gesammelten Texte bitte weiter! Bitte wählen Sie diese nicht vorher aus! Schicken Sie uns möglichst alle Texte, die bei Ihnen entstanden sind! Oft genug gibt es auch bei scheinbar Schlechterem einige Beiträge, die trotz mangelnder Sprachrichtigkeit Interessantes aufzeigen! Manchmal muss das freie Schreiben vielleicht noch geübt werden. Hilfestellung dazu bieten beispielsweise:

„Szenisches Schreiben im Unterricht“ von Thomas Richardt,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag GmbH 2011.
„Erzählendes Schreiben im Unterricht“ von Ulrike Wörner,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag GmbH, 2012.
„Lyrisches Schreiben im Unterricht“ von José F. A. Oliver,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag GmbH, 2013.
„Journalistisches Schreiben im Unterricht“ von Tilman Rau,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag GmbH, 2014.
„Literarisches Schreiben im Deutschunterricht“ von Ulf Abraham und Ina Brendel-Perpina,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag GmbH, 2015.
„Wort und Spiel im Unterricht“ von Timo Brunke,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag GmbH, 2015.
„Praxismaterial: Erzählendes Schreiben im Unterricht“, von Ulrike Wörner und Tilman Rau,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag GmbH, 2016.
„Praxismaterial: Erzählendes Schreiben im Unterricht“ von Ulrike Wörner und Tilman Rau,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag 2016.
„Praxismaterial: Journalistisches Schreiben im Unterricht“ von Tilman Rau,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag 2017.
„Identitäten – Dialoge im Deutschunterricht. Schreiben – Lesen – Lernen - Lehren“,
von Jörg Roche und Gesine Lenore Schiewer (hrsg.),
Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, 2017.
„Religion, Flucht und Erzählung. Interkulturelle Kompetenzen in Schule und sozialer Arbeit
mit Geflüchteten“ von Harry H. Behr /Frank van der Velden (hrsg.),
Göttingen: V & R unipress GmbH, 2018.
„Praxismaterial: Szenisches Schreiben im Unterricht“ von Thomas Richardt,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag, 2. Aufl. 2018.
„Praxismaterial: Lyrisches Schreiben im Unterricht“ von José F. A. Oliver,
Seelze: Kallmeyer/Klett, Friedrich-Verlag GmbH, (März) 2020.

Aber auch sonst gibt es viele Bücher oder Internetadressen, die über das freie Schreiben und seine Möglichkeiten Auskunft geben.

Wichtige Hinweise

Selbstverständlich dürfen die Jugendlichen, vor allem die mit Migrationshintergrund, in der Sprache schreiben, in der sie sich zu Hause fühlen. In welcher, das sollte gegebenenfalls mit angegeben werden. Die für den Abdruck in der Anthologie ausgewählten Texte werden, wie im Verlagswesen üblich, Korrektur gelesen und den Jungautorinnen und -autoren noch einmal zur Kontrolle vorgelegt. Wenn Sie Fragen haben, dann melden Sie sich bitte bei uns! Wir beraten Sie gerne.

1 bis 3 Texte pro Person (jeweils max. 3 Din A4-Seiten).

Die Ausschreibungsfrist endet am 1. August 2021.

Adresse (zur Abgabe der Texte)

Kulturzentrum Grend
z. Hd. Artur Nickel
Stichwort „Punkt“
Westfalenstraße 311
45276 Essen

Absender (Telefonnummer, Email-Anschrift und Alter nicht vergessen!)

Die Jugendlichen, deren Texte aufgenommen werden, werden schriftlich informiert. Wer an dem Projekt teilnimmt, erklärt sich damit einverstanden, dass sein Beitrag in dem Buch und in Verbindung damit gegebenenfalls auch in anderen Medien veröffentlicht wird. Eingesandte Texte können leider nicht zurückgeschickt werden, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Weitere Infos

www.arturnickel.de ; www.geestverlag.de ; www.grend.de

Im November 2021 soll die Anthologie erscheinen und im Rahmen des Literaturfestivals „Literatürk“ in Essen mit einer öffentlichen Lesung präsentiert werden. Das geben wir rechtzeitig bekannt. Danach kann es weitere Lesungen und Veranstaltungen im Ruhrgebiet geben, um das Buch zu präsentieren und die in den Texten angesprochenen Themen in Schulen und anderen Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, zu diskutieren. Natürlich können Sie, so Sie dies wollen, mit dem 8 Buch/den Büchern auch eigene Präsentationsformate in Ihrem Umfeld mit „Ihren“ Kindern und Jugendlichen entwickeln. Es gibt da bereits einige Vorbilder. Wenn Sie an all dem Interesse haben, Anregungen haben oder uns unterstützen möchten, wenden Sie sich bitte an uns! Das Gleiche gilt, wenn Sie andere Fragen zu dem Buchprojekt haben.

Wir sind gespannt auf die Texte und verbleiben
mit herzlichen Grüßen

Dr. Artur Nickel (Herausgeber)
arturnickel@web.de
www.arturnickel.de

Kulturzentrum Grend
Westfalenstraße 311
45276 Essen
Tel.: 02327 974246
Fax: 0201 8513250

Alfred Büngen  (Verleger)
Geest-Verlag
Lange Straße 41 A
49377 Vechta
Tel.: 04447 856580
Fax: 04447 856581
info@geestverlag.de
 www.geestverlag.de