Reinhard Rakow - Sterben , h

Hördatei: 

ls der morgen graute
atmete er
rosig zum ersten mal
seit tagen. die zacken
hinterm glas zuckten
steiler nun. wir hofften.

sehr früh
schwang die sommersonne sich auf.
die tagschicht übernahm
seinen aufgedunsenen leib
sein ermattetes herz
die müden nieren
seine daten graphen und schläuche.
wenn etwas sei: dort der knopf.
er atmete flach doch atmete.

vor dem fenster
das gerüst gegenüber
erklomm ein bauarbeiter
feist sonnenbraun
die hosenträger pinkrot.
er aber schlief flach doch
gleichmäßig atmend.
wir hofften.

als frühstückspause war auf dem bau
glätteten sich die zacken all
mählich fiel das atmen
eben.
wir suchten den knopf.
die schwester kam
und beugte sich und ging.

er hatte lila lippen. vor dem fenster
vom gerüst gegenüber
fraß eine bohrmaschine
aus einer mauer
blaugrauen beton.
wir beteten. keiner
hörte.


die schwester kam
und beugte sich und tat.
er hatte graue haut.
die linie rann zackenlos.
wir sahen und verstanden
nicht den punkt
der sich vergebens jagte.

die schwester ging
nachdem sie die pflaster entfernt
die katheter gezogen
die schläuche aufgerollt hatte.
wir sahen
und verstanden nicht
vorm fenster das gerüst gegenüber

schwang sich ein bauarbeiter hinab
eines jeden lebens~trittes sorgfältig achtend
feist sonnenbraun
die hosenträger pinkrot.

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h.


zwischen blumen aus plastik schön
gewaschen haben sie
ihn
gestülpt in ein hemd rein~
weiß leicht
zu verbrennen darob
der herr
vom krematorium wird
freude finden
in dieser lieben sommerszeit

die schattenwand
hinter dem kreuz als ob
aus einem foto vom alten
wohnzimmer weiß~
rauer klinker im schwarzen
gefuge versank im sessel
lesebrille und schaue wie
die zeitung
muss auch noch
abbestellt werden

nie wirklich gelesen
nie wirklich geredet
geh aus mein herz.