Luisa Kochheim - Nur was richtig ist ( Antirassismusaktion - Vor allem anderen bin ich Mensch)

Nur was richtig ist

Ein Grauen erfüllt sie, wann immer ihre Augen das Abbild ihres eigenen Daseins im Spiegel erfasst und in die dunkle Iris starren, die als Umrandung ihrer dunklen Pupillen dient.
Eigentlich ist es Stolz, der sie hätte erfüllen sollen. Und in kurzen Momenten ist es ein stolzes Gefühl, das sie beim Anblick ihres vollen dunklen Haars und ihren großen Augen verspürt. Sie wirken wie eine Verzierung für ihre dunkel glänzende Haut, die sie einst als Geschenk bezeichnet hatte. Einst war ihre Haut der Grund für ihren Stolz gewesen und eines ihrer vielen Merkmale, welches sie gerne betrachtet hatte. Ein Merkmal unter vielen anderen, das sie ausmacht.
Doch dieses Gefühl ist lange verloren und ihr Stolz erloschen, wie die helle Flamme einer Kerze. Bloß leichter Rauch ist noch übrig, viel zu schwach um gegen das traurige Gefühl in ihr anzukommen. Ihre schwarze Haut ist kein Grund mehr für sie, um Stolz zu empfinden. Viel mehr fühlt sie sich fremd in ihr, wann immer sie nach draußen geht. Als sei sie jemand Fremdes, hier in einem Land, in dem sie einst geboren wurde. Ein Land, das sie einst „Zuhause“ nannte.            
Häufig kommt sie sich vor wie eine irrende Wanderin, auf der Suche nach ihrer Heimat.
Eine Wanderin, ihr Körper umhüllt von dem Stoff eines schwarzen Gewands, das die Natur ihr einst geschenkt hatte. Und diese eine Wanderin versucht stetig, ein Dorf mit Menschen zu betreten, doch aus irgendeinem Grund tragen alle Menschen dieses Dorfes bloß weiße Gewänder. Es scheint unmöglich für die Wanderin, diesen Ort zu betreten.
Dennoch hat sie keine Wahl und sie versucht sie es weiter. Nicht selten bemerkt ein Mensch ihre Versuche und er schaut auf. Seine Augen treffen das schwarze Gewand und sie kann förmlich spüren, wie dieser Mensch sich selbst fragt, wieso sie ein solch schwarzes Gewand anzieht.
Und diese Frage macht sie wütend, denn dieser Mensch weiß nicht, wie häufig sie bereits versucht und sich gewünscht hat, ein weißes Gewand zu tragen. Nicht, weil sie es schöner findet, nicht, weil sie es will. Doch dieses Dorf scheint es zu wollen und die Wanderin braucht das Dorf.
Und sie wünschte, dieser Mensch hätte gewusst, wie sehr der weiße Stoff auf ihrer Haut brennt und wie leise ihr laut schlagendes Herz darunter geworden war.
Niemals hätte dieser Mensch ein schwarzes Gewand für sie angezogen, das weiß sie genau.
Und sie kann sich bloß fragen, wieso.
Wieso ist dieses schwarze Gewand alles, was die Menschen an ihr sehen? Wieso scheint das weiße Gewand so richtig für die Menschen und das schwarze so schrecklich falsch?
Sie weiß, sie ist nicht die einzige mit einem schwarzen Gewand, doch viel zu häufig fühlt sie sich, als sei sie die Einzige, die nicht den blendend weißen Stoff auf um ihren Körper trägt.
Und sie wünscht sich sehr, dass nur einmal ein Mensch unter ihren schwarzen Stoff sehen würde. Genau wie jeder andere hat sie Farben unter diesem Gewand. Farben, die zeigen, wer sie ist.
Doch sie hat nicht die Chance diese Farben zu zeigen, denn sie sind versteckt unter einem Stoff, den man einst als falsch in einem fest verankerten System abgespeichert hat.
Niemand will unter dieses schwarze Gewand schauen. Niemand geht an diesem schwarzen Gewand vorbei. Denn dieses Gewand scheint alles zu sein, was ihre Persönlichkeit ausmacht. Das einzige Kriterium, anhand dessen ihr Wert als Mensch bestimmt wird.
Dieses Gewand ist die einzige Stimme, die sagte, wer sie ist. Und genau das ist sie nicht.
Sie ist nicht bloß die Trägerin von schwarzem Stoff und genauso wenig ist es ihr Herz. Sie ist ein Mensch, wie jeder andere auch. Ein Mensch mit Persönlichkeit. Ein Mensch, der wie viele andere mit einem schwarzen Gewand geboren wurde. Doch dies will niemand verstehen.
Nur das weiße Gewand ist gewollt. Nur das weiße Gewand ist richtig. Und nur was richtig ist, bekommt die Chance, die Farben zu zeigen, die unter diesem Gewand zu finden sind.

She used to fell pride, whenever her eyes met the dark hair, that was falling down over her shoulders like a surrounding for her dark skin. Whenever she saw her big eyes and the passion behind it, a feeling of being enough filled her body.
But not anymore.




 Luisa Kochheim, 16 Jahre alt und kommt aus Hamburg. Derzeit besucht sie die elfte Klasse des Albert-Schweitzer-Gymnasiums.

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