Zum Weltflüchtlingstag ein Bericht über die ehrenamtliche Arbeit mit Flüchtlingskindern von Ilona Berthold

Begegnungen mit „meinen“ Flüchtlingskindern aus:
Bulgarien, Frankreich, Syrien, Serbien, Irak, Indien, Afghanistan, Türkei, die ich im Fach Deutsch ehrenamtlich unterstütze.

Ab März 2015 (bedingt durch die riesige  Flüchtlingswelle in ganz Europa) begann für mich als Rentnerin eine ganz neue Zeit, wertvoller Erfahrungen mit hilfebedürftigen Kindern. Diese schulischen Erfahrungen waren manchmal nur von kurzer Dauer oder einige auch für eine längere Zeit, geprägt von vielfältigen Erinnerungen .

Ich fragte nicht, ob ich der Arbeit gewachsen bin, ich habe weder Pädagogik studiert, noch habe ich im sozialen Dienst gearbeitet. Lediglich beruflich hatte ich meistens mit Erwachsenen, aber zu meiner Freude auch mit Kindern, die innerhalb des Schulunterrichts zu einem Museumsbesuch, einschließlich der damaligen Bachgedenkstätte, (Haus zum „Palmbaum“)  zu uns kamen, zu tun.
(Ich arbeitete in allen Bereichen der Arnstädter Museen, zweiunddreißig Jahre).
Auf der Straße grüßten mich jahrelang die Museumsbesucher -Kinder mit:
„Hallo, Frau Bach.“

Wie alles begann:
Als der Flüchtlingsstrom immer mehr zunahm, kamen des Öfteren Hilferufe aus den Medien.
Ein Artikel der TA v. 4.3. 2015 machte mich auf die Problematik aufmerksam, dass in der Dr. Robert- Bosch-Schule für die 18 aufgenommenen Kinder, die kein Wort Deutsch sprachen, außerhalb des Unterrichts ehrenamtliche Helfer gesucht wurden. Die Schule ist nur ein paar Schritte weit von unserer Wohnung entfernt, was sich für mich positiv auswirkte. Eine große Herausforderung kam ganz freiwillig auf mich zu. Ich fühlte, hier bin ich „gerufen“ (wie so viele, gleichgesinnte, tausende ehrenamtliche Helfer) für diese heimatlosen Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig, wollte einfach nur zu helfen. Das wollte ich probieren.
Ich hatte mich per Mail bei der Schulleitung vorgestellt und wurde als ehrenamtliche Helferin in der Art einer „Lese Oma“ angenommen.
Was ich als besonderen Glücksumstand in meinem neuen „Job“ empfand, war, dass ich mich ganz allein ,nach eigenem Ermessen, ohne Lehrplan, mit Elan entfalten durfte. Da ich fast alle meine Berufsjahre eigenverantwortlich arbeiten durfte, habe ich gelernt, selbstständig zu arbeiten.
Mir wurde von Seiten der Schule großes Vertrauen entgegengebracht.
Auf der anderen Seite konnte ich mich aber in meiner Tätigkeit so gut wie gar nicht, mitteilen. Die Lehrerinnen hatten , verständlicherweise ,keine Zeit, oder waren auf dem Sprung in die nächste Stunde.
Mit Sicherheit hatte und habe ich es viel leichter als die an der Schule tätigen Pädagogen. Ich habe Zeit (die ich mir nehme) und keinen Erfolgsdruck, bin an keinen festen Lernplan gebunden, der erfüllt werden muss. Ich freue mich zwar über jeden Fortschritt, den „meine Kinder“ im Erlernen der deutschen Sprache sowie auch in anderen Schulfächern erreichen. Die Flüchtlingskinder sind in der Bosch-Schule sehr gut eingegliedert worden.  Ich erfuhr von der Schulleiterin (Frau Smarczewski), dass in dieser Schule die meisten Kinder aus den Krisengebieten aufgenommen worden sind. Eine Mammutaufgabe für die Schule, die verschiedenen Interessen und Ansichten der Eltern auch noch zu berücksichtigen hatte.
Es gab für mich ein freundliches Willkommen in der Schule.
Dann ging ich mit viel Mut, natürlich auch die ersten Male mit einem inneren, ängstlichen Gefühl, ganz allein mit den Kindern, auf mein neues Ziel los.
Sie schauten mich mit ängstlichen Augen an, ohne ein einziges Wort Deutsch zu verstehen. Und alle paar Tage kamen neue, verängstigte Kinder in die Schule.
Mein Ziel, hatte sich immer mehr zu einer erfüllten  Arbeit entwickelt, die ich anfangs noch nicht überschauen konnte. Ich wusste ja selbst nicht, ob ich dieser Aufgabe gewachsen war.
Nur allein lesen lassen, war nicht mein Ziel. Ich wollte die Kinder mit Hilfe der Musik an die für sie vollkommen neuen deutschen  Lebensart, mit der sie sich mit Zwang konfrontiert sahen, heranführen. Außerdem wollte ich für die Kinder eine Ansprechpartnerin sein für Dinge, die sie nicht verstanden oder missverstanden haben und vor allen Dingen ihr Selbstwertgefühl und neuen Lebensmut, stärken.  
Für mich war es zuerst wichtig, ihr Vertrauen zu gewinnen.
Den Kindern, in einem für sie fremden Land als Heimatlose, das Gefühl zu geben, dass eine für sie fremde Person für sie Interesse zeigt und  ihnen Hilfestellung und Mut in der neuen Umgebung gibt.
Den mir anvertrauten Kindern möchte ich nicht nur im kleinen Rahmen Deutsch Lesen, Sprechen  und  Grammatik näher bringen. Für mich steht das gemeinsame Singen immer mit auf dem Plan, dadurch können viel leichter deutsche Worte von einer fremden Sprache geformt und dann der Inhalt des Textes verstanden werden, mit Bildern und Tönen. Und die Melodie eines Liedes, kommt als rhythmische Erfahrung für die Kinder hinzu. Das braucht viel  Geduld und Zeit, die ich mir genommen habe.
Mein Haupt- Augenmerk war: Durch Gestik, meine Augensprache, formende Worte, zuerst mit Händen und Füssen zu erreichen. Meine ganze Körpersprache einzusetzen, um dadurch erste Verständigung zu erreichen. Manchmal brachte ich die Kinder durch meine  körperlichen Verrenkungen das erste Mal zum Lachen, was ich dabei für einen sehr wichtigen Nebeneffekt hielt. Auch das Lachen dürfen und können, musste für fast alle Kinder wieder erneut erlernt werden. Das bedurfte weiterhin viel Geduld und Zeit.
Eine gute und zeitaufwändige Vorbereitung war für die „Lesestunde“ selbstverständlich. Es war manchmal auch für mich als Rentnerin schwer, die notwendige Zeit dafür zu finden, da ich außerdem noch einen umfangreichen Aufgabenbereich habe (ich bin aktiv in 3 Chören, bei den Maltesern und anderen Institutionen).
Ich erhoffte, dass ich mit diesen Kindern gut zusammenarbeiten kann und vor allem auch von Ihnen den nötigen Respekt erfahre.
Nächtelang habe ich ich mir überlegt, wie soll der Unterricht überhaupt stattfinden?
Doch meine inneren Ängste lösten sich nach und nach von allein auf , als ich späterhin eine so große, unerwartete Zuneigung von den Kindern zurückbekam.
Ich stellte mich mit Frau Ilona vor, weil ich denke, diese einfache Anrede ist am unkompliziertesten, so verbindlich ist es bis heute geblieben.
Ich hab es eben immer wieder aufs Neue probiert. Ich gab nicht auf.
Von meinem Mann bekam ich immer wieder zusätzliche „Rückenstärke“.
Jedoch der feste Glaube den Kindern wieder Lebensfreude schenken zu dürfen im gegenseitigem Vertrauen, hat mich selbst stärker werden lassen.
Was mir bei meinen laienhaften „Lehrmethoden“ bei meinen Flüchtlingskindern das Wichtigste war und ist, ihnen Liebe und Güte in ihrer Gesamtheit zu schenken, verbunden mit viel Sensibilität. Über die Musik wollte ich die traumatisierten Kinderherzen „öffnen“, um ihnen langsam und behutsam einen Weg zeigen, sich in der für sie fremden Umgebung zurecht zu finden.
Zu diesem Zweck hatte ich mir späterhin u. a. „klingende“ Musikbücher mit schönen  Kinderliedern gekauft, die bei den Kindern großen Anklang finden.
Sie dürfen sich einen Knopf aussuchen, der am Liederbuch „eingearbeitet“ ist, und schon klingt es daraus. Das macht den Kindern bis heute Spaß.
Große Unterstützung fand ich dabei  in der E. Petri Schule, durch Leihgaben von sehr guten Schulbüchern, die dort nicht mehr gebraucht wurden.  Da ich seit vielen Jahren im dortigen Mitarbeiterchor mitsinge, habe ich eine gute Verbindung zu den Lehrerinnen. Sie sagten mir auch , welche Lieder unsere Kinder gerne singen. Das war später dann ein guter Ansatzpunkt für das  Anleiten zum Singen mit „meinen“ Kindern. Und siehe da, unsere Kinderlieder sangen und singen heute auch u. a. die syrischen Kinder sehr gern.
Besonders dankbar bin ich für die ersten Hilfen und Anleitungen von der Abteilung „Integration“ , besonders durch Frau Günther und Frau Mückenheim im Landratsamt ,Arnstadt . Von dort aus, entstand eine vielfältige Vernetzung mit anderen Hilfsorganisationen. Im Landratsamt fand ich das erste Mal überhaupt ,eine Anerkennung meiner ehrenamtlichen Tätigkeit, mit vielen anderen Helfern. Durch Zusammenkünfte und Schulungen konnte ich dadurch mein Wissen erweitern und in meine Arbeit mit den Kindern einfließen lassen.
Seit längerer Zeit bekommen wir weiterhin bei den Maltesern durch ständige Zusammenkünfte und Schulungen ,Hilfe‘ für unser Ehrenamt.
Freundin und Beraterin möchte ich den Kindern sein. In vielen Fällen gelang es mir . Manchmal bemühte ich mich vergebens. Aber auch das gehört dazu.
An eine sehr positive Erfahrung erinnere ich mich immer wieder. Sie gab mir Kraft und Durchhaltevermögen:
Ein Flüchtlingsjunge, tiefschwarze, wunderschöne ,ausdrucksstarke Augen, mit  traurigem Blick, der über Umwege 2015 aus Frankreich mit seinem Bruder kam. Er war völlig verstört, nicht ansprechbar, stumm und teilnahmslos und wurde durch andere Kinder gehänselt.
Auf alle möglichen Art und Weisen versuchte ich ihn behutsam aus der „Reserve“ zu locken, sich am Unterricht zu beteiligen. Meine Bemühungen stießen natürlich nicht auf Verständnis der anderen Jungen, die sich benachteiligt fühlten. Sie störten permanent . So suchte ich mir Rat bei der Schulleiterin, Frau Smarczewski.  Daraufhin durften die „Störenfriede“ nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Einer dieser Jungen sprach mich dann später einmal im Treppenhaus an: Frau Ilona,- „Warum du nicht da sein, warum ich nicht bei dir sein dürfen?“ Diese Aussage des Jungen ging mir nach. Eine Antwort konnte ich ihn nicht geben.
Als es später wieder ruhiger im „Unterricht“ wurde , dauerte es noch ca. 6 Wochen bis unvermittelt der „stumme“Junge beim Singen der anderen ,ganz leise zu summen anfing. Die Augen des Jungen werde ich nicht vergessen. Meine Gefühle waren unbeschreiblich. Später hörte ich, dass er auch wieder zu sprechen anfing.
Leider musste ich mich auch öfters von einigen Kindern trennen, da für die Mehrheit kein Lernen, durch neue Kinder keine Ruhe einkehrte. Ich versuchte immer wieder zu ermöglichen, dass alle ankommenden Kinder in meine Betreuungsstunde kommen, was aber unmöglich gelingen konnte. Das ist aber in erster Linie, glaube ich, ihren schweren, traumatischen  Erlebnisse geschuldet. Und auch der innerliche Zwang, sich anpassen zu müssen.
Als das Geschwisterpaar Bayan und Baraa 2016 aus Syrien(Aleppo), ohne weitere Mitschüler zu mir in den Unterricht kamen, erlebte ich eine außergewöhnliche, beeindruckende Begegnung. Ich konnte von dem Zeitpunkt an, in Ruhe und Konzentration mit den Kindern intensiv, Stück für Stück, vorankommen.
Die Anfangsschwierigkeiten versuchten wir drei nach geraumer Zeit außer Kraft zu setzen.
Das Mädchen Bayan hatte große, traurige, kluge, schwarze Kirschaugen, sie hatte eine ruhige Ausstrahlung. Sie lernte sehr schnell und gut ,war hochintelligent, feinfühlig, musisch begabt und voller Poesie, was ich gut fördern konnte , da es  meiner eigenen Neigung sehr nahe kam.
Ihr Bruder lernte gut mit, hatte aber auf Grund der Pubertät viel „Abschweifungen“ parat, z. B. immer auf sein Handy starrend usw., nervös auf den Stuhl rutschend und unkonzentriert, störend, aber ein lieber, sensibler Junge.
Dabei sollte man nie vergessen, die Schrecken, Ängste und Grausamkeiten, die diese Kinder erleben mussten, machen sich in ihrem Verhalten immer wieder stark bemerkbar. Wir können es nur ahnen, was sie durchgemacht haben.
Ich habe durch viele „Umwege“ meinerseits von ihnen erfahren, dass ihre Großeltern erschossen wurden, bevor sie zu uns kamen. Die wenigsten Kinder können darüber sprechen. Die Kinder sind alle traumatisiert, wenn sie zu uns kommen.
Es wurde nach mehreren Wochen immer besser, das Mädchen konnte ihrem Bruder  helfen.
Bayan wurde zu meiner kleinen Dolmetscherin (arabisch-deutsch), was sie schon bei den anderen Kindern tat, die vorher in der Gruppe waren. Sie guckte kurz mal auf ihr Handy, da waren die arabischen  Buchstaben, die sofort ins Deutsche übertragen werden können. Das ist für ausländische Kinder überhaupt eine große Hilfe beim Erlernen der deutschen Sprache.
Wir sangen fasst in jeder Unterrichtsstunde, (nur wenn sie das auch wollten) , die wir zusammen waren. Ihr große Bruder Baraa zierte sich zwar, sang aber mit schöner Tenorstimme mutig mit. Sie lernten durch die Musik, Gefühle rauszulassen. Sie
 erzählten mir dann voller Vertrauen von ihrer Familie, erst brockenweise, später dann schon viel besser mit Anwendung der erlernten deutschen Sprache.
Da sie gerne sangen, fragte ich sie, ob sie für mich aus ihrer Heimat etwas singen würden. Sofort stimmten die beiden ein ergreifendes, syrisches, melancholisches Lied gut gesungen an. Ergriffenheit überkam mich, bei so viel emotionalem Ausdruck in der Gestaltung des Liedes. Ich fragte die Kinder, und erfuhr vom Inhalt der Melodie. Der Bruder sagte: Das Lied spricht von Leben und Tod ... Und das sagt ein junger Mensch von 15 Jahren. Bayan war 13 Jahre alt.
In einer Unterrichtsstunde malte meine kleine Dolmetscherin ein schönes Bild für mich, weil ich in Kinderbildern eine Therapiemöglichkeit sehe, was seelisch eventuell nach außen möchte. Auch stellte ich es einfach mal als Ferienaufgabe, ein Bild zu malen. Wer möchte, darf seine Gedanken rauslassen. Was da für innige und schöne Bilder herauskamen.
Mein Ansatz zur Mal-Therapie ,die Kinder zu öffnen, gelang und wurde nach einiger Zeit auch angenommen, es war wiederum ein weiter Weg bis dahin.
Ich dachte mir immer wieder etwas Neues aus, spielerisch zum Lernerfolg zu kommen.
In einer anderen Schulstunde kam mir Bayan seltsam vor, blass, traurige Augen, etwas nervös, schaute ständig auf ihr Handy, ob ich ein Zettel hätte, fragte sie mich schrieb darauf längere Zeit (vom Arabischen ins Deutsche, sie kannte ja noch keine deutschen Buchstaben) etwas und schob ihn mir nach längerer Zeit mit einen sanften lächeln rüber zu mir.
Darauf stand geschrieben, mit gerade neu gelernten „ungeformten“ Buchstaben:
„Ich habe den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter gesehen,
aber keine der „4 Naturkatastrophen“ , (damit meinte sie die Jahreszeiten) hat mich mehr beeindruckt wie ein Lächeln von Dir.

Daneben: ein großes Herz mit Pfeil durch  -   Iluna - Herz  - Bayan.“

Dieses Liebesgedicht hat mich sehr berührt, ich habe es abgelichtet und trage es in meiner Geldbörse, weil es so wertvoll für mich ist.
Am 1.9.2016 ist die ganze Familie nach Wuppertal gezogen, ich hatte in der Zeit des Wegzuges noch nie derartig traurige Kinderaugen gesehen, wie von meiner kleinen Dolmetscherin, die so leicht lernte, und es bestimmt noch weit bringen wird.
Die ganze Familie mit fünf Kindern verabschiedete sich von mir in der Schule, um nochmal Danke zu sagen, das hatte ich noch nie erlebt. Es war sehr bewegend.
Vor ca. einem Jahr besuchten mich die Kinder, das war wiederum eine ganz tiefe, innige Begegnung. Sie gaben mir so viel Liebe zurück, erzählten ,wie es ihnen ergangen ist. Und sagten immer wieder: „du sein so gut zu uns gewesen.“ „Wir dich nicht vergessen.“ Ich hatte in dieser Stunde zu tun, mein Taschentuch schnell wieder zu erneuern.
Meine jetzigen Mädchen, aus Syrien (Idleb) die ich seit Anfang 2017 schulisch betreue, sind: Rawan und Sidhra .
Zwei Sonnenschein-Kinder, trotz der anfangs schwierigen „Auffang“ Situation.
Sie haben mit ihren Eltern und noch zwei Brüdern, auch die schlimme, grauenhafte Überfahrt von Syrien, der Türkei nach Griechenland durchgemacht, aber sie verarbeiten positiver, zumindest nach außen hin, wie es scheint.
In ihrer Familie wird viel gesungen und gelacht, sie werden von ihren Eltern geliebt, was sich ja generell beim Lernen positiv widerspiegelt. Sie stecken voller Fantasie und Schalk. Ganz im Gegensatz zu den anderen Kindern, die ich kennenlernen durfte.
Sie sind sehr lerneifrig, traurig, wenn sie schlechte Zensuren bekommen, da tröste ich ein wenig hinweg, das nächste Mal wird es besser, hören sie dann von mir, aber auch: ohne Anstrengung, kein Erfolg. Das hörten alle Kinder einige Male von mir.
Sie fragten mich einmal:
Frau Ilona, warum tust du das alles für uns und bist so gut zu uns? Eine schnelle Antwort von mir gab es nicht, ich sagte nur, ich möchte euch einfach nur helfen.
Sie können schon ganz gut Deutsch sprechen und sind nun für ihre Eltern die Dolmetscher. Ihre beiden kleinen Brüder sind nebenan in der Bechstein-Schule.
Jedes Mal nach dem Lesen und erklären vom Inhalt der Bilder, Schrift, Sprache, fragen sie mich von allein, ob sie wieder singen dürfen. Sie singen am liebsten:
Das Igellied (der pi pa putzige Igel im sti – sta - stachel Kleid usw.,
Bunt sind schon die Wälder, (sie sagen, da fällt Schnee vom Himmel, wenn die Blätter fallen) , sie sind einfach  süß)
Wer will fleißige Handwerker sehn ..,( sie zeigen alles mit Handgesten, das haben sie von mir übernommen).
Ich bin ein Musikante und komm aus Schwabenland...(zeigen mit den Händen, die einzelnen Instrumente, wie man sie spielt, was ich ihnen ständig vorzeige, zeigen sie mir immer wieder).

Dabei wiegen sie ihre Köpfe, (so wie ich  es ihnen vormachte) ,
lachen und freuen sich, ihre Augen drücken so viel Freude aus. Sie geben mir damit so viel zurück.
Was sie ganz neu bei mir lernten, war das Pfeifen, (ich pfiff mal im Gespräch, da fingen sie an zu lachen, sie kannten es nicht. In Syrien scheint man nicht zu pfeifen.?
Die Mädchen malten schöne Bilder, eines mit bunt-vergoldeten Riesenbuchstaben:
Und ganz oben mit goldenen Smiley:
ICH HAB DICH LIEB FRAU IELONA,
Es gibt keine schönere Liebeserklärung.
Mein beiden Mädchen sind mir auch ans Herz gewachsen, ich möchte sie begleiten bis zum Ende der 10. Klasse. Ich hoffe, sie schaffen es bis dahin. (jetzt sind sie in der 9. Klasse)
Heute, nach dreieinhalb Jahren, kann ich beurteilen:  

Hätte ich mich nicht freiwillig in der Bosch Schule für den Schuldienst zur Hilfe für  Flüchtlingskinder gemeldet, und wäre ich nicht freiwillig ins eiskalte Wasser gesprungen:
•    hätte ich nicht so viel von „meinen“ Kindern dazugelernt,
•    ich hätte den Kindern keinen Trost, Freude am Lernen und Mut für ihren neuen Lebensraum schenken dürfen,
•    ich hätte ihnen nicht mein Herz schenken dürfen, welches unzählige  Male zu mir  zurückkam,
•    ich hätte nicht mit ihnen voller beiderseitiger Freude, unsere Kinder -Lieder einstudieren ,und mit ihnen singen dürfen,
•    dann wäre mir viel, viel Freude und unerwartetes Glücklichsein mit „meinen“ Kindern verwehrt geblieben.

In Erinnerung meiner Flüchtlingskinder:
Nimmeth, Jessica, Heyky, Bogdan, Nataly, Arsim, Sehribone, Amar, Mohad, Kushdip, Bayan, Baraa,,Schuba, Mohamad, Achmed, Sidra, Rawan, Roba,

Arnstadt,d. 28.10.2018

Ilona Berthold,
Schillerstraße 24
99310 Arnstadt