05.08.2022 - aktuelle Autorin - Claudia Engebretsen

Claudia Engebretsen

1945 in Halle an der Saale geboren, Abitur, gelernte Dekorateurin, Fach- und Hochschulausbildung in der Ökonomie. Arbeit als Preisinspektorin.
1976 Ausreise nach Norwegen, bis 2002 als Ökonom in Oslo tätig. Studium an der Pädagogischen Hochschule in Oslo - Deutsch als Fremdsprache. Ab 2002 Arbeit auf Engagementbasis an der Hochschule. Teilnahme an verschiedenen Kursen über interkulturelle Kommunikation an der Deutsch-Norwegischen Handelskammer und beim Goethe-Institut in Oslo. Verheiratet, einen Sohn.

Veröffentlichungen im Geest-Verlag

 
GESPRÄCHE

Das Kind schläft. Sie atmet auf. Heute war es nicht einfach gewesen, Markus zur Ruhe zu bringen. Brütete er eine Erkältung aus? Anja berührt die Stirn ihres Sohnes, kann aber keine erhöhte Temperatur feststellen. Vorsichtshalber sieht sie im Medizinschränkchen nach, ob noch genügend Fieberzäpfchen vorrätig sind. Sie ist beruhigt und schleicht zurück ins Kinderzimmer. Über Markus Bett baumeln vier bunte Blumen an einem Drehgestell. Anja gibt ihnen einen sanften Stoß und beobachtet deren langsame Runde.
Nichts erinnert nunmehr an den unbändigen Jungen, der er vor einer halben Stunde noch gewesen war. Wie ein aufgezogener Kreisel hatte Markus mit seinen Beinen ge¬strampelt, als sie ihn über die Stäbe des Bettes heben wollte. Wo war die glückliche Mutter mit ihrem zufrieden lächelnden Baby geblieben?
Anja verflucht die Werbung für Windeln, Cremes und Kindernahrung. Ihr Dasein sieht anders aus. Sie fühlt sich vom Leben draußen ausgeschlossen, nicht mehr dazugehörend. Ihr fehlt die Arbeit, sie vermisst die Freunde, die geselligen Abende – einfach alles, was sie vor der Geburt ihres Sohnes als selbstverständlich betrachtet hatte. Sie liebt ihren Sohn, ein Wunschkind. Doch sie hat nicht die durchwachten Nächte, die Verantwortung, die hauptsächlich auf ihren Schultern lastet, in ihre damalige Freude einbezogen. Sie ist enttäuscht, hat mehr Unterstützung von ihrem Mann erwartet.
Beide waren überglücklich über die Schwangerschaft. Voller liebevoller Vorfreude hatte Klaus sofort begon-nen, das Kinderzimmer einzurichten. Sie musste sich in den ersten drei Monaten schonen, der Arzt hatte ihr jegliche körperliche Anstrengung verboten. Es hatte auf wackligen Füßen gestanden, ob das Kind bei ihr bleiben würde.
Nun ist alles überstanden, doch sie ist unzufrieden.
Sie hatte gehofft, dass Klaus nach der Geburt ein paar Wochen Freistellung nehmen würde. Doch zwei Tage nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus, ging er wieder in sein Büro. ‚Unabkömmlich‘, hatte er gemeint und die Schultern gehoben. Ein wichtiger Auftrag müsste beendet werden, es würde ihm leid tun. Ihr war zum Heulen zumute gewesen, so hatte sie sich ihr Leben zu dritt nicht vorgestellt. ...