15. August 2022 - aktuelle Autorin - Ingrid Mattfeld


 


 

Ingrid Mattfeld
1936 in Berlin geboren, 1937 Umzug der Familie nach Mün­chen. Nach Kriegsende 1945 Umsiedlung nach Nord­deutsch­land, nach Drebber, wo sie noch heute beheimatet ist. Seit der Kindheit großes Interesse an künstlerischen Arbeiten und am Schreiben. Nach Beendigung der beruflichen Arbeit Intensivierung der kreativen Arbeit, u. a. auch Teilnahme an ver­schiedenen Ausstellungen, Mitglied der Atelierge­meinschaft Freystil in Vechta.



 
Die Polizei, dein Freund und Helfer

Frau Meyer lebte ganz allein
und das nicht etwa nur zum Schein.
Sie fühlte sich auch nie verlassen;
konnt’s Glück, allein zu sein, kaum fassen.
So brauchte sie auf niemand hören,
braucht’ keinen Partner mehr betören,
konnt’, wann sie wollt’, zu Mittag essen,
hat’s manches Mal sogar vergessen.
Wenn sie grad in ein Buch versunken,
dann wurd’ einfach Kaffee getrunken.
Auch Kuchen gab’s, den hatte sie,
denn den, nein, den vergaß sie nie.
Sie brauchte sich nach niemand richten
und sich für gar nichts mehr verpflichten.
Braucht niemand mehr nach Geld zu fragen,
und was sie dachte, konnt’ sie sagen.
Sie wurd’ geschätzt von den Bekannten
und ebenso von den Verwandten.
Mit manchen war sie gut bekannt,
doch sprach sie stets: „Nur ambulant –
denn stationär kommt niemand in mein Haus,
da zieh’ ich lieber selber aus.“


So war Frau Meyer etwas eigen –
und wie, wird sich an folgender Geschichte zeigen.
Denn eines Tages hatte sie gehört,
dass Diebe im Dorf die Nachtruhe gestört.
Drauf dacht’ sie nur: ‚Was ist dabei
und wofür gibt’s die Polizei,
die kann man doch in solchen Fällen
auch mitten in der Nacht bestellen,
damit die Diebe sie vertreibt,
wodurch man unbestohlen bleibt.’
Die Nummer der Polizeistation,
die hatte sie im Kopfe schon –
und gab sie ein ins Telefon,
als sie um zwölf ins Bett sich legte
und der verdienten Ruhe pflegte.
Doch ehe sie das Licht ausmachte
und nochmal alles überdachte,
drauf dann noch den Gedanken fasste:
‚Ich drück’ noch schnell die grüne Taste
und weiß, wenn dann der Klingelton erklingt,
dass die Verbindung auch gelingt!’
Gedacht, getan – sie hört den Ton –
und da sie halb im Schlafe schon,
sank sie ermüdet in die Kissen –
doch sie hätt’ auch die rote Taste drücken müssen.

Und so geschah’s, dass als sie schlief,
ihr Notruf ständig im Revier einlief.
Wie dem auch sei, als plötzlich sie erwachte,
hört’ sie, dass irgendwo im Haus ein Fenster krachte.
Sofort ergriff sie’s Telefon,
doch eine Stimme sprach in ruh’gem Ton:
„Die Polizei ist schon im Haus,
sie treibt die Diebe schon hinaus –
und haben Sie vielleicht noch Fragen?“
Frau Meyer schrie: „Das kann ja jeder sagen,
dass Polizisten sind bei mir –
da klopft schon wer an meine Tür
und ruft: So lassen Sie mich rein –
so dämlich werde ich nicht sein.“
Tatsächlich rief man jetzt vom Flur:
„’s sind wirklich Polizisten nur –
auch die Malteser sind schon hier zur Stell’.
Schließen Sie die Tür auf, bitte schnell.“
Frau Meyer dreht den Schlüssel um
und fällt vor Staunen nun fast um –
drei Polizisten steh’n im Treppenhaus –
seh’n sehr vertrauenswürdig aus –
und hinter ihnen, von den unt’ren Stufen,
hört man schon die Malteser rufen:
„Frau Meyer, nun, wie geht es Ihnen?“
(Sie hatten sehr besorgte Mienen.)

„Sie haben ins Telefon geröchelt,
als wenn’s in Ihren Lungen köchelt,
drum rief die Polizei uns an,
was man ja gut verstehen kann.“
Frau Meyer aber kreischt empört:
„Sie haben mein Schnarchen abgehört –
die Spitzelei wird immer schlimmer.
Gut Nacht, ich bleib in meinem Zimmer –
und Sie verlassen jetzt mein Haus,
da, wo Sie rein, da finden Sie auch wieder raus.“