Soremba, Edith-Maria
Autorenportrait Edith-Maria Soremba
Edith-Maria Soremba
aus: Geschenktes Leben. Geest-Verlag 2005
Für Menschen, die in eingefahrenen Gleisen denken, ist sie der Widerspruch an sich: Legasthenie-Therapeutin Edith-Maria Soremba aus Vechta. Eine Frau, der traditionelle Werte wie Ehe, Familie und Kinder über alles gehen, und die trotzdem kein "Hausmütterchen" ist, sondern mit Kraft und Engagement an ihrem Lebenswerk arbeitet: Dem Einsatz für lese- und rechtschreibschwache Kinder (und Erwachsene). Und das nicht nur als Therapeutin, sondern auch als Autorin. Gerade in diesen Tagen ist im Herder Verlag die dritte Auflage ihres Buches "Legasthenie muß kein Schicksal sein" erschienen.
Dies alles lag in weiter Ferne und war nicht im Traum vorhersehbar, als sie in Teplitz-Schönau im Sudetenland aufwuchs. Es war eine "wohlbehütete Kindheit", sagt sie. "Zwei Frauen haben mich in der Kindheit geprägt", blickt Edith-Maria Soremba zurück: "Meine Mutter und meine Großmutter. Meine Mutter war eine allzeit fröhliche Frau, die mir früh die Freude am Lernen und schöngeistigen Dingen wie Musik und Tanz vermittelte. Aber ohne meine Großmutter wäre ich wohl ein verwöhntes Balg geworden." Die Großmutter war eine warmherzige, aber strenge und konsequente Großbäuerin. Und überhaupt hatte auf dem ländlichen Hof alles eine andere Ordnung als in der Stadt: Die Großeltern wurden von ihren Enkeln (und sogar von den eigenen Kindern) mit "Sie" angeredet. Nur Edith-Maria durfte es wagen, Oma und Opa zu duzen. "Sie ist halt ein Stadtkind", hieß es bei ihren regelmäßigen Besuchen während der Sommerferien.
Die wohlbehütete Zeit fand durch Krieg und Vertreibung ein jähes Ende. In Vechta baute die Familie eine neue Existenz auf und hier fand Edith-Maria Schaffer (so ihr Mädchenname) im Jahre 1948 die Liebe ihres Lebens.
Der Besuch einer Wahlveranstaltung der Vertriebenen in der Aula des Gymnasiums Antonianum sollte für die damals 22jährige das Leben für immer verändern. "Da trat ein junger Mann aufs Podium und hielt eine flammende Rede für die Zentrumspartei", erinnert sie sich. "Es hört sich kitschig an, aber es war Liebe auf den ersten Blick." Und nicht nur das: Auch der Mann am Rednerpult, ein gewisser Hans-Joachim Soremba, versichert, dass ihm "die charmante, schnuckelige Frau" in einer der ersten Reihen sofort auffiel. Es kam, wie es kommen musste: Ein Jahr später war Hochzeit. Und diese Ehe hält seit 49 Jahren. Sechs Kinder und mittlerweile neun Enkelkinder gingen daraus hervor.
Silberhochzeit im Jahr 1974: Die Schulklasse aus der Grundschule Langförden stand Spalier
Trotz ihrer vielen familiären Aufgaben ging Edith-Maria Soremba auch beruflich ihren Weg. Als Lehrerin unterrichtete sie bis Mitte der 80er Jahre an den Grundschulen in Lohne, Calveslage, Langförden und Vechta. Was danach kam, war alles andere als "Ruhestand".
Schon während ihrer Arbeit als Lehrerin war sie immer wieder Kindern mit Lese- und Rechtschreibschwächen begegnet. In ihrem Bemühen, diesen oft hochintelligenten Kindern zu helfen, die nichtsdestotrotz von vielen als "dumm und faul" abgestempelt wurden, wurde sie zu einer "Fachfrau" auf diesem Gebiet.
Der Abschied vom Beruf der Lehrerin fiel schwer: Die Autorin mit den Schülern ihrer letzten Klasse aus der Overberg-Schule in Vechta, Mitte der 80er Jahre
Schon Mitte der 70er Jahre sendete das ZDF-Magazin "Impulse" einen Beitrag über Legasthenie, in dem Edith-Maria Soremba mit einem ihrer erwachsenen "Schützlinge" vorgestellt wurde. Ihre Liebe zu den Kindern, gerade zu solchen, die wegen ihrer Legasthenie von der Gesellschaft schnell zu "Verlierern" abgestempelt werden, zeigt sich bei deren erstem Besuch ihrer Schützlinge in ihrem Haus an der Windallee. "Ich nehm sie und drück sie und fange an mit dem, was sie können, und sei das noch so wenig." Der "Therapiehund" Aura trägt
ebenso zur Vertrauensbildung zu den durch ihr schulisches "Versagen" oft auch psychisch angeknacksten Schützlinge bei. Aber auch an Konsequenz lässt es Edith-Maria Soremba nicht fehlen. Und Zusammenarbeit mit Eltern, Ärzten, Psychologen, Lehrern etc. ist für eine erfolgreiche Therapie unerlässlich.
Auch im Landesverband Legasthenie Niedersachsen engagierte sich Edith-Maria Soremba. Lange Jahre war sie dessen Vorsitzende, heute ist sie Ehrenvorsitzende. Diverse Besuche bei den jeweiligen Kultusministern (zum Thema Legasthenie-Erlass), Fachvorträge, Beiträge für Fachzeitschriften - das Engagement der Vechtaerin war und ist vielfältig.
Die Autorin mit ihrer Enkelin Kristin beim fröhlichen Lese-Lern-Spiel
In ihrem Buch "Legasthenie muß kein Schicksal sein" fasste sie 1995 ihre Erfahrungen mit vielen anschaulichen Beispielen zusammen. Dankbare Briefe vieler Leser, besonders betroffener Eltern, bestätigen sie in ihrem Lebenswerk. Darin findet sie ihr Glück, ebenso wie in der nach wie vor eng zusammenhaltenden Familie. Und daran, sich endgültig aufs "Altenteil" zurückzuziehen, denkt Edith-Maria Soremba noch längst nicht.