Begeisternde Buchpremiere von Hans-Hermann Mahnken am gestrigen Abend im Bremer Ambiente

Am gestrigen Abend gab es im Ambiente, dem Bremer Literaturcafè am Osterdeich eine wunderbare Bremer Buchpremiere (die Veranstaltungsreihe von Bremer Literaturkontor und Stadtbibliothek) von Hans-Hermann Mahnken mit seinem Lyrikband 'Kostbare Nichtigkeiten'. Ein wunderbarer Abend, denn die wohlfeine Auswahl der Gedichte durch den Autor, seine ruhige und gelassene Art des Vortrags, kombiniert mit einer hervorragend arrangierten Musik des Duos Milous, die Begrüßung durch Jens Laloire vom Bremer Literaturkontor, die Einführung durch Verlagsleiter Alfred Büngen und beinahe 50 begeisterte Gäste, machten den Abend zu einer wunderbaren Lyrikveranstaltung. Anbei ein paar Eindrücke.

Da kommt jemand daher, schreibt besonders eindringliche, ruhige, sprachlich auf höchstem Niveau stehende Verse und spricht in seinem Titel von Nichtigkeiten.
Ein Widerspruch. Allerdings nur dann, wenn man den erläuternden Begriff des ‚Kostbaren‘ vor den Nichtkeitigkeiten übersieht.

Hans-Hermann Mahnken, Bremer Autor, auf das 60. Lebensjahr zugehend, vielfältige Berufs- und Veröffentlichungserfahrungen)  verdeutlicht uns die zeitliche Individualität des Moments, die Individualität des Erlebten, Gesehenen, Erfahrens in seiner ganzen Vergänglichkeit.
Fast traditionell bietet er uns für diese Form des Erkennens eine ‚Herbstelegie‘ an. Die Jahreszeiten als ‚prächtiges, kurzes Maskenspiel‘, die verdeutlichen, dass ein identischer Gegenstand, etwa der Baum, je nach Jahreszeit verschiedenste Ansichten bietet. Nicht anders die Betrachtung eigentlich jeden menschlichen Moments von Glück, Trauer, Liebe, Freundschaft etc. – Alter, Lebensumstände, Grundeinstellungen, augenblickliche Verfasstheiten bilden die Grundlage des Erfassens, des Erstehens, des Fühlens einer Situation, einer Person, eines Gegenstandes, sind daher stets verschieden, different, widersprüchlich und vergänglich.

In seinem Gedicht ‚Septemberhauch‘, in dem er sanfter ruhiger Weise die Schönheit, ja die Idylle einer ufernahen Gartenlandschaft beschreibt, gelingt es ihm, das Gefühl der spätsommerlichen Schönheit für den einen Erlebenden (träumt still – prall voll von Leben), um im selben Augenblick, nur durch ein Komma und einen Zeilenumbruch getrennt, das Todgefühl des anderen Erlebenden zu zeichnen ( ganz nah am Tod – der Sommer).
Es sind keine besonderen Situationen, die Hans Hermann Mahnken erzählt, eher alltägliche, für jeden nachvollziehbare Situationen. Und immer wieder, in den unterschiedlichsten Ausprägungen diese Widersprüchlichkeit des Empfindens gemeinsam erlebter Momente (Deine Worte sind / zärtlich wie / Sommerwind – schrecklich wie / die täglichen Kriegsberichterstattungen).

Gleichwohl empfindet er daraus keine Unerträglichkeit einer Relativität des Erlebens, des Fühlens. Er empfindet geradezu eine Demütigkeit vor dieser Möglichkeit menschlichen Empfindens und Denkens (Psst … / verweile demütig und leise / in des Tages Zwischenraum, / zwischen Wachen, Schlaf und Traum …) und fordert auf, diesen Moment, diesen Augenblick sinnlichen Erkennens zu genießen, Angst, Trauer und Wut über die Unterschiedlichkeit des Empfindens zu vergessen (Lass Wut, lass Trauer, lass Angst / sich verwandeln in Gelassenheit, / in Freude über den / gegenwärtigen, kristallenen / Augenblick).
In welch wunderbarer Beschreibung manifestiert sich bei Mahnken dieser individuelle Erkenntnisprozess des nichtigen Augenblicks ( Nur heitres Schweigen / bringt ihn zum Klingen, / entlockt ihm den / zerbrechlichen / Zauber der / Gegenwart).

Und was ist in diesem Prozess des sinnlichen Empfindens, des stillen Erkennens dann noch auf Aufgabe der Literatur. Ist die Aufgabe wirklich so nichtig, wie er sie  ins einem Gedicht ‚Lesung‘ beschreibt, wo sich die Wörter ja beinahe unbemerkt und teilnahmslos unter die Leute mischen. Ja, Mahnken scheint es so zu empfinden. Er weiß, wie er in ‚Worte finden‘ formuliert, um die Klugheit und Rationalität der Wörter, ihre Schärfe, um ihre Emotionalität. Doch er weiß auch, dass es nur Versuche sein können, die Wörter zu finden, die die Besonderheit des nichtigen Augenblicks empfinden und erkennen lassen (ich finde keine Worte mehr).

Ein ganz besonderer Band, der mit der Zärtlichkeit und der Empfindsamkeit seiner Worte in der Vielfältigkeit ihrer formalen Anordnung uns Wege aufzeigt, offen zu sein für die Sichtweise des Ausgenblicks durch uns und durch andere, offen zu sein, für den Austausch über diesen Augenblick (Du liest mir was von Rilke vor, / ich wackle mit dem Zeh). Ein Stück weit erfüllt Mahnken mit seinen Gedichten die Hoffnung, die er selbst für das Wort formuliert (Narrengesang):

Ach, könnt mein Wort dich doch bewegen
in der Tiefe deiner Galaxie
und wiederkehr’n als Sternenregen
in einer Sommernacht voll Poesie.
 

Hans-Hermann Mahnken
wurde 1955 in Bremen geboren. Nach unterschied-lichsten Tätigkeiten (Lehrling, Verkaufshilfe, Soldat, Hilfsarbeiter, Kriegsdienstverweigerer, Krankenpflegehelfer) folgten die Ausbildung zum Krankenpfleger und der zweite Bildungsweg. Ein späteres Studium der Psychologie und Pflegewissenschaft in Bremen und London beendete er als Dipl-Pflegewirt. 
Er verarbeitet in Lyrik, Essays und Prosa, was das Leben ihm zuträgt. Veröffentlichungen in Anthologien sowie im Internet. Preisträger des Sangerhäuser Literaturpreises 2004, vierter Platz beim Dorstener Lyrikwettbewerb 2013.