Kultur im Berlin der Zwanziger Jahre - Jenny Schon

Wie großartig die Kultur der Zwanziger Jahre in Berlin verortet war und warum hier Gott und die Welt sich traf, zeigt folgendes Zitat aus dem Inselbändchen über das "Romanische Cafe" von Egon Erwin Kisch:
"Der Berliner Westen, mit seiner noch in den Gründerzeiten entstandenen wilhelminischen großen bürgerlichen Wohnhäusern, entwickelte sich zum kulturellen Zentrum der Stadt.  Viele Künstler bezogen rund um den Kurfürstendamm Ateliers und Wohnungen, die "Neue Sesession" hatte in der Kantstraße ihren Sitz, Theater und Kleinkunstbühnen schossen aus dem Boden wie Pilze. 1927 hatte Berlin an die fünfzig Theater, fünfundsiebzig Kleinkunstbühnen, drei Opernhäuser und drei große Varietes, über sechzig Zeitungen und Kunstzeitschriften, zweihundert Verlage, daruner die maßgeblichen wie Ernst Rowohlt, S. Fischer, Ullstein, Bruno Cassirer und Gustav Kiepenheuer.
"Wer Berlin hatte, dem gehörte die Welt", schrieb Carl Zuckmayer 1920."
 
Vieles davon erwähne ich auch in meinem Buch "Die Spaziergängerin von Berlin", man bedenke in den Zwanzigern waren viele Krisen, Arbeitslose, Geldentwertung, Bedrohung durch Nazis, und trotzdem schrieb man das Wort Kultur ganz groß. Heute findet man nichts mehr von all dem. Die kleine Ausstellung im Europa-Center über das "Romanische Cafe" ist augenblicklich die einzige kulturelle Verortung der Gegend. Es einziger Trost in dieser Trostlosigkeit, man erwägt, die Ausstellung zu verlängern.
Jenny Schon M.A., Berlin seit 1961.