Pressebericht: „Getroffener Hund bellt - “HÖRSPALTEREIEN Lyriker Volker Gallé rezitiert Gedichte im Kunsthaus

„Getroffener Hund bellt“
16.09.2011 01:00 Uhr - WORMS
Von Ulrike Schäfer
HÖRSPALTEREIEN Lyriker Volker Gallé rezitiert Gedichte im Kunsthaus
Wo es um neue Seh- und Denkgewohnheiten geht, wie derzeit bei der Kunstausstellung „Wir - diesseits von Eden“ im Kunsthaus der Prinz-Carl-Anlage, tragen „Hörspaltereien“ gewiss zur angemessenen Sinneserweiterung bei. Jedenfalls sorgte am Mittwochabend Volker Gallé, umgeben von Bildern und Installationen, die den Weg am Cherub vorbei ins Paradies suchen, in einer kleinen, aber feinen Hörveranstaltung für die Entstehung von Bildern via Ohr.
Seiner Lesung schickte er eine Hör-Gebrauchsanweisung voraus, die bereits gewisse Anforderungen an das aufnahmebereite Publikum stellte. Auch wenn sich die Bedeutung seiner Gedichte vielleicht nicht jedem gleich erschließe, so Gallé sinngemäß, löse doch allein der Wortlaut häufig schon Assoziationen aus, schließe Türen zum Unterbewussten auf. Um diesen meditativen Prozess zu erleichtern, waren die Stühle abwechselnd in unterschiedlicher Sitzrichtung aufgestellt, ein völlig ungewohntes Kulturkonsumgefühl, während der Rezitator seine Zuhörer lesend umkreiste.
Humorvolles und Surrealistisches
Sogar aus dem Nebenraum ertönte seine gewaltige Stimme bei dem Improvisationstext „Rhein - Neckar“, vielleicht das kreative Abfallprodukt einer langen, langweiligen Metropolsitzung: Mit variationsreichen Rhois, Wois und Ojojojos löste er heiteres Gelächter aus. Desgleichen sein Poem „Jandl à la carte süß-sauer“, das er zum Tod des Dichters im Jahr 2000 verfasst hatte. Es ist ein Text, bei dem das L im Endlaut stabreimend über das grollende R siegt.
Diese (Fast-) Nonsens-Gedichte, wie auch Gallés köstliche „Sprachétrangerie“, wollte er gerne als Ausflug ins „Spielzimmer“ verstanden wissen. Seine übrigen Texte führten in andere Räume, kehrten Inneres nach außen, wendeten Äußeres nach innen und machten Zwischenräume auf, Räume, in denen durch Versenkung in fremde Wesenheiten ein neues Erleben möglich wird. Das mutete gelegentlich so surrealistisch an wie ein Bild von Dali. Hinter all dem wurden der Wunsch und die Bereitschaft sichtbar, sich zu erneuern, zu erweitern, ja, zu verwandeln, denn, so sagt einer mit hängenden Schultern in Gallés Gedicht „Die wilden Schwäne haben uns verlassen“: „Es geht nun mal ums Ganze“.
Auch „Heimatgedichte“ gab es zu hören, allerdings anders als üblich. Victor Hugos Rheinblick auf Worms erinnert auch den Hungermarsch der Kommunisten, die Herrnsheimer Hauptstraße, ein strotzendes Gemälde sinnlicher Genüsse, wird umgeleitet und führt ins KZ Osthofen. Zur Erholung gab es dann das Mundartgedicht über den Jugendstilkünstler Emil Gallé und das trotzig-selbstbewusste Bekenntnis „Getroffener Hund bellt“.
 


•    Ein interessantes Hörerlebnis bot Volker Gallé im Kunsthaus - denn die Besucher blickten bei der Lesung in verschiedene Richtungen. Foto: photoagenten/Christine