Weser-Kurier berichtet über die nunmehr 8. Berner Bücherwochen

 

 

Berner Bücherwochen
 

Interesse im In- und Ausland

Georg Jauken 08.01.2021 0 Kommentare

Er galt als scharfzüngiger Schriftsteller, Quer- und Wirrkopf, der in keine Schublade passte. In der Nacht zum 10. Juli 1934 wurde Erich Mühsam von den Nazis im Konzentrationslager Oranienburg ermordet. In seinem Text „Appell an den Geist“ hatte er die Rolle des Künstlers in einer Gesellschaft thematisiert, die wie geschmiert läuft, Sandkörner im Getriebe indes dringend nötig hätte. Sein Aufruf an die Künstler, „tut nicht, als wäret ihr Besondere! Seid Menschen! Habt Herz!“, liefert nun das Thema für eine Anthologie zu den achten Berner Bücherwochen vom 11. September bis 11. Dezember mit Veranstaltungen in Berne und der Region.

Die Anthologie soll den Titel „Vom Mensch Sein und Herz haben, vom sich Verweigern und Empören“ tragen. Bis zum 12. Juni ist noch Zeit, Texte dafür einzureichen. Erlaubt sind Erzählungen und Gedichte ebenso wie Essays und Reportagen, Tagebucheinträge und Dramen von Schreibprofis oder auch Schreibneulingen, solange sie eine zwanglose Verbindung zum Thema erlauben. Das gilt auch für zwei weitere Bücher, die im Geest-Verlag Vechta erscheinen und in mehreren Veranstaltungen während der Berner Bücherwochen vorgestellt werden sollen.

Neu ist das Berner „Seniorenlesebuch“, das in Zusammenarbeit mit den Altenkreisen der evangelischen Gemeinden Berne und Warfleth entstehen soll. Aus dem von früheren Bücherwochen bekannten „Lesebuch für die Wesermarsch“ wird diesmal ein „Lesebuch für die Landkreise Oldenburg und Wesermarsch“. Kooperationspartnerin ist die Ländliche Erwachsenenbildung (LEB). Aus den Texten, die aus den beiden Landkreisen für das Lesebuch mit dem Titel „Sei Mensch! Hab Herz“ eingehen, soll ein Buch mit zwei Frontseiten und etwa gleich vielen Textanteilen aus beiden Landkreisen entstehen. Die LEB hat dazu im Vorfeld Schreibwerkstätten für alle Interessierten mit der Autorin Helga Bürster in Ovelgönne und Huntlosen im Programm.

Ist der Einsendeschluss erreicht, dürfte für Herausgeber Reinhard Rakow die Textauswahl für die geplanten Bücher zur Herausforderung werden. So wie 2019, als es rund 1500 Einsendungen zu sichten galt. Allein zu der Anthologie Heimat/Menschheit hatten damals mehr als 850 Einsender aus Japan, den USA, Brasilien, Bulgarien, Rumänien, Türkei, Italien, Spanien, Frankreich, der Schweiz, Österreich und dem gesamten Bundesgebiet ihre Texte über Flucht und Heimatverlust sowie die Schwierigkeiten, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden, eingesandt. Dabei verstehen sich die „Berner Bücherwochen“ in erster Linie als Projekt regionaler Literaturförderung, sodass sich der Aufruf zur Teilnahme insbesondere an Schreibende und Schreibinteressierte aus Berne und den Nachbargemeinden sowie der Region Oldenburg, Delmenhorst, Bremen und Wesermarsch richtet.

Das Interesse im In- und Ausland, einen Text in einer der Berner Anthologien zu veröffentlichen, scheint allerdings ungebrochen, wie die neuesten Einsendungen unter anderem aus Österreich und Rumänien belegen. Insgesamt sind Rakow zufolge für die neue Textsammlung „Vom Mensch Sein und Herz haben, vom sich Verweigern und Empören“ bereits so viele Beiträge eingegangen, dass er damit das ganze Buch füllen könnte. „Für den jetzigen Zeitpunkt sind das sehr viele Texte“, sagt Rakow und ahnt, dass er wieder viel Zeit für die Sichtung einplanen muss. Denn die Erfahrung zeigt, dass die meisten Texte erst kurz vor dem Einsendeschluss in seinem Briefkasten landen.

Offen ist, wie sich die Corona-Pandemie auf die Berner Bücherwochen auswirkt. Im Hinblick auf die Lesungen und Vorträge in der Zeit von September bis Dezember gibt sich Rakow bislang gelassen. Die geplanten Veranstaltungen – unter anderem mit der Schriftstellerin und Schauspielerin Renan Demirkan, die sich für Demokratie, Pluralität und gegen Ausgrenzung engagiert, mit dem Politikwissenschaftler Hajo Funke, der 2020 das Buch „Die Höcke-AfD. Vom gärigen Haufen zur rechtsextremen Flügel-Partei“ veröffentlichte, mit Katharina Körting („Vom Umgang der evangelischen Kirche mit der Nazizeit“), Karsten Krogmann von der Opferschutzorganisation Weißer Ring („Schaut hin! Zeigt an! – sexueller Missbrauch von Kindern“) sowie dem für sein Engagement für Flüchtlinge und Obdachlose bekannt gewordenen Mediziner Gerhard Trabert („Der Straßen-Doc. Unterwegs mit den Ärmsten der Gesellschaft“) – sieht Rakow derzeit nicht in Gefahr.

Abzuwarten bleibt zunächst, wie sich die Corona-Krise auf die fest zu den Bücherwochen gehörenden Schülerbuchprojekte mit dem Germanisten und Verleger Alfred Büngen auswirken, ob sie zu den vorgesehenen Terminen vor Ort durchgeführt werden können. Die Entscheidung ist von der Entwicklung der Pandemie abhängig. Läuft alles nach Plan, will Büngen rechtzeitig zu den Berner Bücherwochen Bücher mit Texten von Ober- und Förderschülern einer Schule in Altenoythe (Landkreis Cloppenburg), Schülern der BBS Brake, des Gymnasiums Lemwerder und des Schulzentrums Elsfleth herausbringen. So oder so, die Preisverleihung an die Autoren der besten Textbeiträge steht während der Abschlussveranstaltungen am 10. und 11. Dezember 2021 auf dem Programm. Über die Vergabe entscheidet eine Jury, die sich vorbehält, das Preisgeld in Höhe von 1000 Euro auf mehrere Autoren aufzuteilen. Reinhard Rakow, einer der Juroren, hat bis dahin allerdings noch viel zu tun. Denn insgesamt sind mehr als 20 Veranstaltungen in vier Monaten zu begleiten, darunter der musikalische Abschluss der Bücherwochen mit einem Klavierkonzert des Pianisten Alexei Grynyuk am 12. Dezember in der Warflether Kirche mit Kompositionen von Franz Schubert, Franz Liszt und Sergei Rachmaninow.

Weil Rakow nicht nur die Bücherwochen der Gemeinde Berne organisiert, sondern auch deren Konzertreihe „Berne bringt…“, gilt es außerdem, noch jede Menge Ersatztermine für die 2020 wegen der Corona-Pandemie abgesagten Konzerte zu finden.