Weserkurier berichtet über Konzertlesung von Reinhard Rakow und Günter Berger

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Reinhard Rakow rezitiert in Berne

Ein lyrisch-tonaler Sinnenrausch

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„Am Anfang war das Rot“ lautet der Titel des bislang längsten Gedichts von Rakow. Insgesamt bringt es das Werk auf 150 Buchseiten. Zehn Jahre lang arbeitete Rakow an den ausladenden Poemen, die inhaltlich einen Bogen von der Entstehung der Erde über die Geschichte der Menschheit bis hin zur Apokalypse spannen. Ebenso lange besteht die Bekanntschaft des Autors zu dem Organisten, Pianisten und Komponisten Günter Berger, die in diversen Kooperationen mündete. Erst kürzlich errang Berger mit einer Kantate auf biblische Passagen und Gedichtexzerpte Rakows einen Festivalpreis europäischer Kirchenmusik.

Gemeinsam inszenierten Rakow und Berger die Lesung des Langgedichts in der Kulturmühle als lyrisch-musikalisches Happening: Ungeprobt begleitete Berger Rakows Rezitation mit frei assoziierten, häufig durch Dissonanzen geprägten musikalischen Einwürfen am Klavier. Durch Wort und Klang entstand ein Sinnenrausch, der in seiner Vieldeutigkeit entfernt an einen Film des Regisseurs David Lynch erinnerte: Rakow verfasste den Langgedichtzyklus ebenso wortgewaltig wie uneindeutig, füttert seine Zuhörerschaft mit Stichworten, Metaphern und Symbolen, deren präzisierende oder gar erklärende Ausformulierung er zumeist verweigert.

Rot wie Blut, rot wie Glut, rot wie Feuer – von diesen Zusammenhängen ausgehend webte Rakow seine Lyrik wie einen assoziativen, dramatischen Strom, der eine verbindliche Lesart verneint. Jedoch folgt dieser Strom formalen Vorgaben: „Die Grundidee besteht darin, Gedichte auf Basis der Farben zu schreiben, die in etwa ebenso viele Worte wie die Zahl des jeweils dazugehörigen RAL-Codes umfassen“, erklärt Rakow. Als weitere Inspiration dienten ihm die seriellen Gedichte der dänischen Lyrikerin Inger Christensen. „Im Drucksatz wird zudem eine DNS-Spirale ersichtlich.“ Diese wird im mündlichen Vortrag zwar nicht deutlich, wohl aber die Intention, ein umfassendes lyrisches Pendant zum Leben und zur Menschheit zu erschaffen.