Weserkurier berichtet ausführlich über Günter Bergers Autobiografie: Vaters ‚Kalikukafranz

Organist, Komponist und bildender Künstler

Günter Bergers Autobiografie erschienen

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Günter Berger mit seiner Orgel in seinem Haus in Dötlingen – Musik als ständige Begleiterin durchzieht auch seine Autobiografie.

Welch ein reiches Leben und welch ein Glück, sich so intensiv und umfassend erinnern zu können: Günter Berger, Organist, Komponist, bildender Künstler, Hochschullehrer und bis 1976 mehr als 20 Jahre lang Kirchenmusiker an St. Marien in Delmenhorst, hat seine Autobiografie geschrieben.

Nun ist es derzeit Mode, auch schon in frühen Jahren autobiografisch tätig zu werden, aber vieles davon kann man weglegen, bevor man es zu lesen beginnt. Günter Berger, 1929 geboren, weit weg von den frühen Jahren, hat dagegen etwas zu erzählen. Sein „Vaters ‚Kalikukafranz‘ – Autobiografische Bilder“ verführte den Rezensenten dazu, es gar nicht mehr aus der Hand legen zu wollen, sich festzulesen.

Das bewirkt zu einem Teil sicherlich die äußere Form dieser Autobiografie. Die „Bilder“ sind gut 150 kurze Kapitel, meist zwischen zwei und vier Seiten lang, die so etwas wie einen Lese-Sog bewirken, die dem autobiografischen Erzählen auch sein drängendes Tempo geben.

Eingewoben in das autobiografische Schreiben sind viele Exkurse reflektierender Art, oft religionskritisch an Autoren wie Küng oder Drewermann anschließend. Auch poetische Texte, vieles von Rilke, geben dieser Autobiografie ihren weiten Horizont. Es gibt in ihr viele Momente, in denen sich Vergangenheit und Gegenwart durchdringen, Vergangenheit zum Hier und Jetzt wird. „Die Vergangenheit ist nicht tot“ – und das besonders, wenn man über ein überquellendes Gedächtnis verfügt wie Günter Berger.

Berger ist Kriegskind, hat Krieg, Vertreibung, Flucht erlebt, hat erfahren, was für eine Kinderseele apokalyptische Dimensionen haben kann. Es verwundert nicht, dass das Thema, das schon das Kind in der Offenbarung des Johannes faszinierte, in Bergers Musik und seinem bildnerischen Schaffen eine große Rolle spielte. In eine von Eltern und Großeltern behütete, von inniger Naturnähe, auch schon von Musikerfahrungen geprägte Kindheit drängen erste Kriegstöne, drängen die Todesgerüche vom nahen Auschwitz, die Bedrücktheit des Vaters, der ihm den zärtlich-pittoresken Namen Kalikukafranz gegeben hatte, der ihn bis heute als einen Harlekin charakterisiert. Die Zeit im Hitlerschen Jungvolk wird dem sensiblen Kind zur Qual.

Vertreibung, Abschied von der Heimat, ihren Geräuschen und Düften, Todesgefahren, der Schrei der kleinen Schwester, als Soldaten sie von Vater und Bruder trennen, haben wohl traumatisierende Macht. Gerade diese Erinnerung lässt den Autor in der Gegenwart weinen. Immer wieder gibt es in solch verzweifelten Momenten auch den „blauen Maihimmel“, er taucht, auch wenn er „gleichgültig“ genannt wird, des Öfteren auf. Symbol einer Hoffnung in der Verzweiflung? Wir lesen vom Erleben des zerstörten Breslau, des vernichteten Dresden, vom Hungern in Berlin, der Nahrungssuche in Mülltonnen.

Und es kommt doch der „unvorstellbare Neuanfang.“ Mit erfüllten Hoffnungen. Die zerrissene Familie findet wieder zusammen, die verschollene jüngste Schwester findet der 15-jährige Berger mit Hilfe des Kindersuchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes. Schulzeit in Halle. Da gibt es anekdotische Schulzeiterinnerungen, die identisch übrigens später noch einmal erzählt werden.

Nach Jahren ohne Musik spielte die dann nach 1945 wieder eine große Rolle. Nach der „Wucht des Überlebenmüssens“ wurden es die Dissonanzen, die Berger nicht mehr losließen. Und von einer verpassten Liebesangelegenheit erzählt er, weil ihm trotz der straffen Brust seiner Maria beim gesungenen Krippenspiel zu der Zeit „die Durchblutung des Kopfes und der Finger wichtiger war als die der Weichteile.“ Eine Organisten- und Chorleiterstelle ein Jahr vor dem Abitur brachte auch die verführerische Nähe zu „grün leuchtenden Augen“ und den ersten Kuss, „verführt im Netz einer Gisela“ mit der wunderbaren Beschreibung dieses Kusses.

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Wie dem auch sei: „Aus der Kette von Erinnerungen formen wir unser Ich – die persönliche Geschichte unseres Lebens.“ In ihr schließen sich Berufserfolge, namentlich die Professur in Bremen, und schwärmerisch geschilderte Reisen in die Welt, Kreta und Pakistan, Afrika an. Welterkenntnis ist dann auch, zu erfahren, dass ein Granatapfel 613 Kerne hat.

Die Geschichte des Lebens geht weiter mit der neuen Lebensgefährtin Elke, „der besten aller Ehefrauen“, mit dem Haus und der Nähe zur Natur in Dötlingen und dem Glück, auch in hohem Alter noch berufliche Aufgaben zu haben. Die letzten Gedanken gehören der Liebe und dem Tod.

Günter Berger, „Vaters ‚Kalikukafranz‘ – Autobiografische Bilder“, Geest-Verlag, 16.80 Euro.