Boris Brainin

Der Purzelbaum

Es war einmal ein Purzelbaum,
der wollte Wurzel fassen,
doch wuchs ihm eine Wurzel kaum,
musst' er das Purzeln lassen.

Das ging ihm wider die Natur,
ihn hinderten die Wurzeln,
denn er verstand die Langweil nur
durch Purzeln zu verkurzeln.

Es purzeln über Meer und Land •
erträumte Purzelbäume —
nicht so wie Eichen oder and¬
re Spießerwurzelbäume.

Ein Purzelbaum will lediglich
sich drehen, kollern, tanzen.
Aus Purzelbäumen lassen sich
nicht Purzelwälder pflanzen.

BRAININ, Boris (Pseudonym Sepp Österreicher), 10.8.1905 Nikolajew (Ukraine) - 11.3.1996 bei Wien im Altersheim, Dichter, Humorist und Satiriker, Nachdichter. Seine Familie emigrierte 1906 nach Wien, er besuchte dort die Schule und das Realgymnasium, anschließend Ausbil¬dung in einer Handelsakademie und in einer Werkmeisterschule, zuerst Handwerkarbeiter, dann Studium an der Uni Wien, schloss sich linksgerichteten Gruppen an, Mitglied der KPO, tingelte durch Österreich mit eigenen Agitationsliedern, 1934 Emigrationsflucht in die Sowjetunion, hier später verhaftet und verurteilt zu Zwangsarbeit im Ural und in Sibirien, nach der Entlassung Lehrer in Tomsk, von 1959 jahrzehntelang Lektor für Poesie in der Zeitung in Moskau. Arbeitsam und produktiv, kompetent und souverän, witzig und scharfsinnig, Doktor der Philologie. Glänzender Übersetzer aus dem Russischen. Hat weit über Tausend Nachdichtungen veröffentlicht. Hat ein Dutzend von Büchern herausgebracht.