Cordula Scheel - Offen das Meer uns (Gedicht des Tages)

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Was die Lyrikerin C. Scheel uns hier als ihre geheimen Gedankenwelten offen, aber mit äußerster Delikatesse anvertraut, sie, die Beherrscherin der kargen Geste, der unabdingbaren Knappheit, der untergründigen Liebe zu allem Seienden, gerät zu einer Botschaft für jeden, der zu lesen versteht. Denn „ausgesetzt den Augen / schimmert der Abendstern“, und „als seien wir blind“, schließen wir am Ende die Augen – ergriffen vor lauter Schönheit (66).
Ihr größter Vorzug besteht vermutlich darin, nicht nur lyrische Impressionen oder gar Visionen auszubreiten, sondern in der Ver-Dichtung der Geheimnisse realen Lebens höchstmögliche Wahrhaftigkeit zu erwirken.

C. Scheels Dichterwort wird niemandem seine Wirkung versagen, ihre „Zeilen zittern nach“ (65). Freilich, Cordula Scheel geizt mit ihren Gedichten: schmal geriet dieses faszinierende Lyrikbuch, man möchte unbedingt mehr und weiter lesen… Aber, wer dürfte unbescheiden sein vor Texten, die sicherlich langem und tiefschürfendem Nach-Sinnen entstiegen sind?

Das Lese-Erlebnis „Am Rande der Lichtung“ ist vielleicht mit einem einzigen Wort zu umschreiben, welches C. Scheel selbst den ihr vertrauten Menschen gegenüber gerne anwendet: commovente, anrührend, bewegend.
Plötzlich verstehe ich auch den gewählten Bucheinband noch viel besser: Streng, aber ruhig und klar; ein Baum nur, aber sich in die Welt hinein verzweigend in schönstem Regelmaß;
ein Blätterdach, in dessen Innerem das Herz-Blatt glüht, und alles gut „bedacht“ im Doppelsinne dieses Wortes. Letztlich aber ein kongruentes Bild für diesen Rückzug in die dichterische Meditation, ins Stillewerden und Stillehalten:
„In blauen Stunden / besänftigt ihre Kerze / die Konturen“ (54).
Danke, Cordula Scheel!

                                Eva M. KITTELMANN, Wien