DIE FLASCHENPOST

Ein Gedicht schreiben kann ein
Abenteuer sein (im Haus gegenüber
saßen sie und bemühten sich,
herauszukriegen, was ich gerade schrieb) ,
die Versuche, es an den Mann zu bringen,
sind schon das nächste.
Ich nehme eine Gedichtsammlung aus
der Schublade, blase den Staub ab,
vervielfältige sie und übergebe sie dem
Briefkasten. Zwei Jahre muss ich schon
auf alle Antworten warten, von denen,
die antworten. Der Bescheid der Verlage,
die in ,,meiner“ Mission von den
Gummiohren angeschrieben worden
waren, ist der gleiche wie vor der Wende ...
Suhrkamp schreibt: ,, Wir möchten Ihr Leser
sein, aber nicht in unserem Verlag.“
Bei Rowohlt erfahre ich viel über den
Markt. Bei Fischer und Luchterhand
,,geht Lyrik überhaupt nicht.“
Die Redakteure von ,,Akzente“ haben
noch nie etwas von mir gehört. und bei
der ,,FAZ“ füllt sich der Papierkorb
,,Dissidenten“... Schließlich landet
,,Der Herbstwind“ in einer völlig
unbekannten Anthologie, denn nach
drei Jahren finde ich das fast vergessene
Gedicht in vier Schullesebüchern wieder.
Das Gedicht ist eine Flaschenpost.
Das nächste Mal werfe ich meine
Gedichte ins Meer.