Waldemar Weber - Die Sieger I und II (Russlanddeutsche Autoren vorgestellt am 15. März)

Hördatei: 

Die Sieger I

Erwartet keine Gerechtigkeit von den Siegern!
Sie haben andere Sorgen.
Die Toten zu begraben.
Die Wasserpumpe instand zu setzen.
Die Straßen vom Schutt zu befreien.
Die Beute sicher zu lagern.
Es geht ihnen nicht um die Wahrheit,
weder die eigene, noch die fremde.
Sie wollen auch überleben
unter der Lasr des Sieges.

Die Sieger II

Alle Sieger
hantieren mit Stöberhaken
in erkalteten Öfen der Verlierer,
finden dort unter Kohlen
das, was sie finden wollen.

Biographie

WEBER, Waldemar (Bruder von Robert Weber), 1944 in Sarbala (Gebiet Kemerowo), Übersetzer, Publizist und Lyriker. Nach der Schule Germanistikstudium (1962/68) an der Fremdsprachenhochschule in Moskau, ab 1967 tätig als Redakteur, 1990/92 Dozent an der Gorki-Literaturhochschule in Moskau, 1992/94 Gastprofessor an den Universitäten Graz und Innsbruck, 1995/96 Gastprofessur in Wien und Innsbruck, vor ein paar Jahren nach Deutschland umgesiedelt, lebt in Unterföhren bei München. Herausgeber und Nachdichter westeuropäischer, vorwiegend deutscher Lyrik und Prosa ins Russische. Eigene Lyrik russisch und deutsch. Essays und Literaturkritiken in russischen, österreichischen und deutschen Periodika. Mitglied des Verbandes russischer Schriftsteller und des PEN-Clubs Liechtenstein. Die meisten seiner deutschen Texte sind gesammelt im Einzelband „Tränen sind Linsen. Lyrik und Essays“, Verlag Raduga Moskau 1992.

 

aus: W. Mangold: Rußlanddeutsche Literatur. Lesebuch. Stuttgart 1999