Grenzerfahrungen. Die Anthologie zu den Zweiten Berner Bücherwochen
Autor:
Anthologie
zu den Zweiten Berner Bücherwochen
Herausgegeben von Reinhard Rakow
mit einem Vorwort von Peter Sodann
Illustrationen von Georg Skrypzak
Geest-Verlag, Vechta, 2009
ISBN 978-3-86685-215-0
536 S., 15 Euro
75 Autoren aus zahlreichen europäischen Ländern und der Bundesrepublik wurden aus mehr als 400 Zusendungen ausgewählt.
Im Vorwort schreibt Peter Sodann:
Kurz
vor seinem Tod, im Jahre 1787, schrieb Mozart an seinen Vater: „Mein
lieber Vater. Da der Tod (genau zu nehmen) der wahre Endzweck unseres
Lebens ist, so habe ich mich seit einigen paar Jahren mit diesem
wahren, besten Freund des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild
nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel
Beru¬higendes und Tröstendes.
Und ich danke meinem Gott, daß er mir das Glück gegönnt hat, mir die
Gelegenheit zu verschaffen, ihn als den Schlüssel zu unserer wahren
Glückseligkeit kennen zu lernen. Ich lege mich nie zu Bette ohne zu
bedenken, daß ich vielleicht, so jung als ich bin, den andern Tag nicht
mehr sein werde. Und es wird auch kein Mensch, von allen die mich
kennen, sagen können, daß ich im Umgang mürrisch oder traurig wäre. Und
für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer und
wün-sche sie von Herzen jedem meiner Mitmenschen.“
Das sind große und schöne Gedanken. Die größte Grenzerfah¬rung, so dachte ich immer, sei der Tod.
Aber es gibt etwas, das stärker ist als der Tod. Davon kündet eine
kleine Geschichte in diesem Buch, die besonders zu Her-zen geht und die
sagt: Es gibt eine Liebe, die versetzt Berge.
Wenn ich vor vielen Jahren in Leipzig am Friedhof in Wie¬deritzsch
vorbeifuhr, las ich immer wieder einen Satz, der bis heute am Totenhaus
steht: „Stärker als der Tod ist die Liebe.“ Dieser Spruch gibt zu
denken, wohl ein ganzes Leben lang. Romeo und Julia ist das große
Beispiel Shakespeares. Oder Janusz Korczak, der seine Schützlinge aus
dem jüdischen Waisenhaus nach Auschwitz begleitet und mit ihnen
gemeinsam in die Gaskammer geht.
Die Liebe kann stärker sein als der Tod. In dieser Geschichte, die ich
meine, ist sie es und eröffnet eine neue Dimension der Grenzerfahrung:
„Ich habe ihre Küsse gehört. Es waren die leisesten Küsse, die ich je
gehört habe.“