Kohnen, Hildegard: Liebesperlen und Lakritze
Autor:
Hildegard Kohnen
Liebesperlen und Lakritze
Eine Kindheit zwischen
Stadt und Land,
Krieg und Frieden
Geest-Verlag 2010
ISBN 978-3-86685-241-9
11 Euro
Die Flucht vor den Grausamkeiten des Krieges, von der Stadt aufs Land, bildet den Ausgangspunkt dieses biographischen Buches. 1942, die siebenjährige Protagonistin flieht, nachdem der Krieg in ihre Stadt im Ruhrgebiet einzog und ihr den Vater nahm, mit ihrer Mutter und ihrer Schwester von der Großstadt in ein kleines Dorf in der Eifel (Altrich) zum Großvater. Zwar den Härten des Krieges entkommen stellen sich aber andere Probleme dar. Eine neue Umgebung, gar eine neue Welt, die viele erheiternde Anekdoten, aber auch traurige, bitterernste Momente hervorbringt, wird aus der Sicht eines Kindes in abwechslungsreicher Art und Weise geschildert.
„Leib und Seele sind da“, brummelte Großvater gut gelaunt und verkrümelte sich.
Der Pastor stichelte gern und erteilte mit Vorliebe in salbungsvoller Art medizinische Ratschläge, die der Doktor meist überhörte. Wenn nicht, sprühten die Funken. Unsere Küche wurde zum Wörtersee. Ich saß über den Hausaufgaben. In Wirklichkeit aber schrieb ich hinter einem aufgestellten Buch alle Schimpfwörter des Doktors mit: Himmelskomiker, Seelenangler, Fegefeuerakrobat, missratenes Magnifikat, Ablass¬krämer, gebündelter Geheimnisträger, Euer Merkwürden, Euer Fragwürden und scheinheiliger Vater stand in meiner Kladde. Für die meisten Ausdrücke brauchte ich noch Quellen, um sie zu knacken. „So viel Platz, wie unser Pastor im Himmel beansprucht, gibt es dort nicht“, musterte der Doktor die überaus stattliche Figur des Pastors von oben nach unten. So schlug er ihn meist in die Flucht.“
Hildegard Kohnen gelingt es in geisternder Weise, die Menschen dieser Zeit einzufangen. Selbst der kleinsten Nebenfigur haucht sie authentisches Leben ein. Ein Buch, das man zu gerne ‚in einem Rutsch’ liest, mit der kindlichen Heldin mitleidet und sich mitfreut, wenn sie wieder einmal der Erwachsenenwelt ihre Sicht der Dinge aufzuzwingen sucht.
Über die mitreißende biografische Darstellung hinaus ist der Autorin so ein wichtiges Dokument regionaler und überregionaler Zeitgeschichte gelungen.