
Ganspe. "Welcher ist dein Lieblingsort in Ganspe? Wo gehst du nachmittags nach der Schule gerne hin?" Der Zauberer Waber Begamotz, alias Verleger Alfred Büngen, blickt Elias durchdringend an. "Am Kanal", antwortet der Gefragte. Warum? "Weil da besonders viele Fische sind." Kurz vor dem Sieltor sei die Ansammlung immer besonders groß.
Maja bevorzugt den Pausenhof der Grundschule. Insbesondere das Klettergerüst hat es der Viertklässlerin angetan. Und Hannes hat den Schuppen hinter seinem Haus als Lieblingsort auserkoren. Dort hat er einige Geschichten mit seinem Hund erlebt. Der Vierbeiner gehört in einem Atemzug dazu.
Den Jungen und Mädchen der beiden vierten Klassen der Grundschule Ganspe fielen während des Besuchs von Alfred Büngen vom Vechtaer Geest-Verlag gestern Morgen unzählige Orte ein, an denen sie sich gerne aufhalten. Rund um diese Orte wird in den kommenden Wochen ein Roman entstehen. "Ich habe schon viele Projekte mit Schülern gemacht", blickt Büngen auf viele Jahre als Verleger zurück, "aber einen Roman habe ich noch nie mit Grundschülern geschrieben."
Jeder Schüler ist ein Ort
Gestern Morgen machte er während der ersten Schulstunden in Ganspe Station. Gesucht wurden die Lieblingsorte der Kinder. Einige hatten das Thema anfangs falsch verstanden, Legoland, das Schwimmbad in Lemwerder oder den Kunstrasenplatz in Berne genannt. Doch Büngen verstand es, die Jungen und Mädchen auf ihren Heimatort zu fokussieren. Notiert wurden neben Schauplätzen in Ganspe noch Plätze und Gebäude entlang des Deichs von Bardenfleth bis Bettingbühren.
Steven, den der Zauberer Waber Begamotz auserkoren hatte, Protokoll zu führen, bekam viel zu tun. Kaum hatte er ein Stichwort mit Kreide an die Tafel geschrieben, schallte ihm das nächste entgegen. Die Tafel füllte sich. Anschließend erklärte Büngen das weitere Vorgehen. Wenn er Ende September das nächste Mal kommt, solle sich jeder Schüler vorstellen, ein bestimmter Ort zu sein. Er solle möglichst viel über sich wissen, damit er sich im Wettstreit mit den anderen Orten als der bedeutendste Vertreter darstellen kann.
Die Jungen und Mädchen werden deshalb in den nächsten Tagen ausschwärmen, um Informationen zu sammeln. Mit dabei sind unter anderem die Feuerwehr, der Fußballplatz, die Fassmer-Werft, das Frischland, die Warflether Kirche, der Deich und die Bankfiliale in Motzen. "Ich will ganz genau wissen, wie viel Geld auf der Bank ist", trägt der Zauberer den beiden Kindern, die sich mit diesem Thema beschäftigen werden, detaillierte Recherchearbeit auf. "Da müsst ihr ganz viel forschen", blickt Büngen voraus. "Am besten ist, ihr fangt gleich heute damit an."
Die beiden Klassenlehrerinnen, Jutta Lange-Schmidt und Marlies Ulrich, notieren sich derweil, mit den Kindern in den nächsten Tagen das Beschaffen der Informationen zu besprechen. Bücher und der Computer waren den Viertklässlern bereits gestern als Quellen eingefallen. Werbetafeln, Großeltern und andere Erwachsene legte Alfred Büngen ihnen zusätzlich ans Herz. Neben "schreiben, schreiben, schreiben", dürften die Kinder auch malen, zeichnen und fotografieren.
"Waber Begamotz lässt sich auch bestechen", verriet Alfred Büngen den Viertklässlern. Die mussten ob dieser Worte ein wenig schlucken. Doch schnell verstanden sie: Sie sollten keine wirklichen Geschenke für die Kunstform des Verlegers mitbringen, sondern sich überlegen, welche ganz spezielle Besonderheit ihr Ort bieten könnte, zum Beispiel ein Büschel Haare der ältesten Kundin des örtlichen Friseursalons, das Blaulicht eines ehemaligen Feuerwehreinsatzfahrzeugs oder ein Netz voller Bälle vom Fußballplatz. Um diese Besonderheiten ranken sich dann wieder nette Geschichten.
"Das wird ein Fremdenführer von Ganspe aus Kindersicht", freut sich der Verleger bereits jetzt. "Die Kinder werden viele alte Geschichten aus ihrer Sicht überliefern." Im Rahmen der vierten Berner Bücherwochen, die vom 11. Oktober bis 22. Dezember an unterschiedlichen Orten in der Gemeinde stattfinden, werden die Jungen und Mädchen ihren Roman, der auch lyrische Passagen enthalten wird, selbst vorstellen.