Als Gesellen den Aufstand probten - Heiko Schulzes Roman über den Gesellenaufstand kehrt wieder in die Gegenwart zurück / die NOZ berichtet

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Als Gesellen den Aufstand probten

Im Juli 1801 wurde der Streik in der Gartlage blutig niedergeschlagen – Erinnerungstafel

 

Vor 215 Jahren brodelte es in Osnabrück. Ein Streik von Schustergesellen eskalierte zu einem Aufstand mit allgemeinpolitischen Untertönen, der schließlich vom hannoverschen Militär niederkartätscht wurde.

 

Von Joachim Dierks

Osnabrück. Die Bürgervereine Schinkel möchten in der Gartlage, wo die Auseinandersetzung ihren blutigen Höhepunkt erreichte, ein sichtbares Zeichen der Erinnerung setzen. Zwar liegt die Gartlage heute im Stadtteil Dodesheide, gehörte in alten Zeiten aber zur Gemarkung Schinkel und fällt somit in die historische Zuständigkeit der Schinkeler Bürgervereine. Sie hatten sich an den Oberbürgermeister und an die Stadtratsfraktionen mit der Bitte um Unterstützung gewandt, die ihnen auch zugesagt wurde.

 

Schinkelgang

OB Wolfgang Griesert wird am 24. September zum Schinkelgang kommen, der in diesem Jahr zum 50. Mal stattfindet. Der Gang wird in die Gartlage führen, zu jenem Ort, wo einst die Gesellen ihren Aufstand verteidigten: dem Dierkerschen Kolonat.

Das war ein zum Gut Gartlage gehörendes Fachwerkhaus in der Nachbarschaft des Herrenhauses, das ein Schankrecht besaß. Hundert Jahre später entwickelte sich daraus das Wald-Restaurant Gartlage, das bis in die 1930er-Jahre zu den beliebtesten Ausflugslokalen am Osnabrücker Stadtrand gehörte. Es erhielt im Krieg Bombentreffer und wurde nicht wieder aufgebaut. Eine alte Linde westlich des erhalten gebliebenen Herrenhauses Gartlage markiert in etwa den alten Standort des Kaffeehauses. Heinrich Grofer vom Bürgerverein Schinkel von 1912 kann sich gut vorstellen, hier eine Gedenktafel mit einem kurzen Abriss der Ereignisse des 13. Juli 1801 zu installieren. Er hofft, dass das noch bis zum Schinkelgang klappt.

Walter Leineweber vom Bürgerverein Schinkel-Ost hat zusammen mit dem Buchautor Heiko Schulze eine weitere Idee entwickelt: Sie wollen dem landwirtschaftlichen Weg zwischen dem alten Forsthaus Gartlage am Haster Weg und dem Herrenhaus Gartlage am Gartlager Weg den Ehren-Namen „Gesellenweg“ verleihen. Denn diesen Weg haben die Gesellen vermutlich genommen, als sie aus der Stadt hinaus auf die Gartlage zogen. „Das soll keine offizielle Straßenbenennung werden, die durch die Ausschüsse und den Rat gehen müsste, sondern eher so eine halbamtliche Wegbezeichnung, die dann auch einen erklärenden Beitext bekommen müsste“, so Leineweber.

 

Historischer Roman

Heiko Schulze hat eine besondere Beziehung zum Thema. Der schon mehrfach durch historische Romane mit Osnabrück-Bezug hervorgetretene Autor hat auch den Gesellenaufstand von 1801 entsprechend verarbeitet. „Geplatzte Kragen“ heißt das 2007 erschienene Buch. Der Titel bezieht sich auf den vordergründigen Streit um das unterlassene Zuknöpfen von Kragen in einer feierlichen Versammlung von wandernden Handwerksgesellen und im Doppelsinn auf das Aufbegehren gegen den Abbau sozialer Standards, gegen Billigkonkurrenz, gegen intransparenten Zugang zum Meistertitel, gegen stagnierende Löhne.

Schulze war bis 2013 Geschäftsführer der SPD-Stadtratsfraktion. Als Sozialdemokrat macht er sich die Sichtweise zu eigen, dass die Gesellen von 1801 Vorkämpfer für moderne Arbeitnehmerrechte waren und allgemeinpolitisch den Geist der Französischen Revolution im obrigkeitsstaatlichen Hannover durchsetzen wollten. In ähnlicher Weise äußert sich SPD-Fraktionschef Frank Henning in einer Pressemitteilung: „Was in der offiziellen Osnabrücker Historie lange Zeit als eher alberner Streit um Kleidungsvorschriften dargestellt wurde, war in Wahrheit ein frühes Eintreten für Arbeitnehmerrechte und soziale Gerechtigkeit.“ Henning kündigt an, die Anliegen der Bürgervereine zu unterstützen und in der nächsten Ratssitzung einen entsprechenden Antrag einzubringen.

 

So war es früher:

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Wegbenennung zur Erinnerung an den Gesellenaufstand 1801

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06. August 2016

 

"Die Bürgervereine ´Schinkel von 1912´und ´Schinkel-Ost´ setzen sich zu Recht für eine angemessene Erinnerungsmöglichkeit ein, die den Osnabrücker Gesellenaufstand von 1801 würdigt. Hierfür soll der historische Wegesabschnitt in der Gartlage, auf dem der Aufstand seinerzeit von hannoverschen Soldaten - mit mindestens 10 Todesopfern - blutig niedergeschlagen wurde, den Namen ´Gesellenweg´ tragen", erläutern Frank Henning, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion.

"Die SPD-Fraktion unterstützt dieses Anliegen und wird in der nächsten Ratssitzung einen entsprechenden Antrag einbringen. Ein Streik der Schuhmachergesellen eskalierte und führte in Osnabrück zu einem Volksaufstand, der durch die Obrigkeit niedergeschlagen wurde.“

Was in der offiziellen Osnabrücker Historie lange Zeit als eher alberner Streit um Kleidungsvorschriften dargestellt worden sei, sei in Wahrheit ein frühes Eintreten für Arbeitnehmerrechte und soziale Gerechtigkeit gewesen, legte der SPD-Sprecher dar. "Wachsende Unterschiede zwischen Arm und Reich, unverändert gezahlte Niedriglöhne, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, unsichere Altersversorgung und Behinderungen der gewerkschaftlichen Vertrauensarbeit in vielen Betrieben machen deutlich, wie wichtig das engagierte Auftreten von benachteiligten Menschen für ihre Interessen bis heute ist. Allein das willkürliche Auftreten des Ameos-Managements gegen die eigenen Beschäftigten zeigt, dass für Arbeitnehmerrechte, wie in der Geschichte, auch heute noch viel getan werden muss“, erklärte Henning.Die damaligen Ereignisse sollten durch eine angemessene Beschilderung und die Installation einer Erklärungstafel vor Ort in Erinnerung bleiben.