Begeisterung über Ida Bielers Konzert am vergangenen Sonntag in der Konzertkirche Warfleth

 



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"Was für ein wundervoller Abend! Und wie ergreifend ist er gelungen!"
Konzert

Lange Reise durch Bachs Kosmos

 

Ida Bieler spielt in Warfleth alle Sonaten und Partiten für Violine solo



Bei der Geigerin wirken die sechs Werke sehr in sich geschlossen. Trotz aller Anspannung legt die Künstlerin eine große innere Gelassenheit in ihre Interpretationen.

Warfleth Unerschütterlichen Mut muss Johann Sebastian Bach gehabt haben. Wie sonst hätte er seine drei Sonaten und drei Partiten für Violine Solo entwerfen können, jene „Sei Solo senza Basso“, die in der Musik alle Grenzen sprengen? Bach war aber auch ein zutiefst empfindsamer Mensch. Wie sonst hätte er seiner Trauer über den Tod seiner ersten Frau Maria Barbara so weit und so tief reichend Ausdruck geben können wie in der berühmten Chaconne der zweiten Partita in d-Moll?

Eigentlich müsste man der Geigerin Ida Bieler ebenso einen berserkerhaften Mut nachsagen. Die in Düsseldorf lehrende Amerikanerin wagt und schafft es tatsächlich, an einem Abend in der stark besuchten Konzertkirche in Warfleth die ganzen zweieinhalben Stunden dieses technischen und emotionalen Kosmos erstehen zu lassen.

Riesige Erfahrung

Doch Bieler hat eine riesige Erfahrung, die körperlichen Kräfte auch für die längsten Wege rationell einzuteilen. Das versetzt sie in die Lage, auch diese ganze Gefühlswelt auszubreiten. Es ist ihre große Kunst, die Emotionen zu kontrollieren, ihnen aber trotzdem keine Fesseln anzulegen. Faszinierende Konsequenz bei hoher innerer Beteiligung prägt ihr Spiel.

Bielers Ton ist kraftvoll. Das hebt die Mehrstimmigkeit logisch und verfolgbar heraus. Sie gliedert kleinteilig mit Punkten, Kommata, Semikolons, Ausrufezeichen, Fragezeichen. Aber über alles stellt sie die in sich ruhende Großartigkeit der formell und meditativ strengeren Sonaten und der lockeren aber in der Ausdeutung intensiv gefassten Partiten. Tonliche Brillanz und Schattierungskunst zu demonstrieren, hat sie nicht nötig, die hat sie einfach.

Im Grunde verrät Ida Bieler nicht einmal, dass Bach die Geige rettungslos überfordert. Doppel-, Dreifach-, Vierfachgriffe dienen schlicht der Darstellung des eigentlich auf diesem Instrument nicht Darstellbaren. So wischt sie auch den Eindruck von stilistischen Ausflügen Richtung französischer Tanzsätze oder Vivaldischer Virtuosität weg. Bei ihr wirken die sechs Werke sehr in sich geschlossen, aber in jedem Satz prickelnd spannungsreich. Bei aller Anspannung legt Bieler eine große innere Gelassenheit in ihre Interpretationen.

Sinfonische Ausmaße

Die Chaconne steigert die Geigerin fast zu sinfonischen Ausmaßen, lässt die gewaltige Architektur aber klar erkennbar. Ausgewogen lässt sie Linien vor- und zurücktreten, öffnet mit den Akkorden und Arpeggien mehrdimensionale Räume der Emotionen. Es ist ein ebenso technisch frappierendes wie Hintergründe ausleuchtendes Spiel. Auch die ausgedehnte und vertrackte Fuge der 3. Sonate C-Dur ragt derart heraus.

Alle Konzentration löst sich in der abschließenden E-Dur-Partita. Bieler stürzt sich geradezu beschwingt ins Preludio, macht klar: Das ist ein Rausschmeißer. Schnellen Fußes trippelt sie durch Bourree und Gigue. Und alle Hörer folgen ihr im Geiste mit dem beglückenden Fazit: Was für ein wundervoller Abend! Und wie ergreifend ist er gelungen!