In der Autorenkorrektur: Marlies Winkelheide - Mit und von Geschwistern lernen - 30 Jahre Entwicklung von Geschwisterseminaren - Dokumentation der Fachtagung vom 19./20. April 2013 in der Bremischen Bürgerschaft

Janusz Korczak –

Herausforderungen
in der Begleitung von Geschwistern
Mit und von Geschwistern lernen
30 Jahre Entwicklung von Geschwisterseminaren
Dokumentation der Fachtagung vom
19./20. April 2013 in der Bremischen Bürgerschaft

Schirmherrschaft:   
Hans Koschnick, Bürgermeister a.D., Bremen
Veranstalter:
Verein Stimme e.V.
und
Janusz Korczak Geschwisterbibliothek
Leitung:
Marlies Winkelheide,
Moorenderstr. 6, 28865 Lilienthal,
Tel. und Fax: 04208/1040
Marlies.Winkelheide@t-online.de,
www.Geschwisterkinder.de,
www.Geschwisterbuecherei.de
 

Marlies Winkelheide
Geleitwort

Schon seit meiner Jugendzeit habe ich mich mit den Gedanken von Janusz Korczak beschäftigt und seine Bücher gelesen.
In der Begegnung und meiner Arbeit mit Kindern war ich dadurch von Anfang an von diesen Gedanken geleitet, geprägt von der Sichtweise:

„Das Kind ist wird nicht erst Mensch, es ist schon einer.“

Ihr sagt: ‚Der Umgang mit den Kindern ermüdet uns.‘
Ihr habt recht.
Ihr sagt: ‚Denn wir müssen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen.
................Hinuntersteigen, uns herabneigen, beugen, kleiner machen.‘
Ihr irrt euch. Nicht das ermüdet uns. Sondern – dass wir zu ihren Gefühlen empor klimmen müssen. Empor klimmen, uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen. Um nicht zu verletzen.

In der Begleitung von Geschwistern von Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung, chronischen und lebensverkürzenden Erkrankungen versuche ich den Geschwistern zuzuhören, zu verstehen, was sie vermitteln wollen. Ich frage nach, ob ich ihr Anliegen richtig verstanden habe. Ich weiß keine Lösung. Wir suchen gemeinsam nach einem Weg mit den Fragen, Situationen anders umgehen zu lernen. Manchmal hilft da sogar das Formulieren neuer Fragen. Gleiches gilt für die Begegnung mit Er-wachsenen.
So war es für mich eigentlich selbstverständlich, dass ich mich zum Abschluss meiner offiziellen Berufstätigkeit mit einer Tagung sozusagen in die ‚Freiberuflichkeit‘ verab-schieden wollte, die mit der konsequenten Sichtweise auf das Kind  das Gedankengut von Janusz Korczak theoretisch und praktisch an Beispielen zeigen konnte.

Ich danke dem Vorstand des Vereins Stimme e. V. und meinem Mitarbeiterteam, dass sie dieses Anliegen geteilt haben und durch ihren Einsatz ermöglicht haben.
Es gab viele Vorbereitungen, an vieles war zu denken, viel war zu bedenken.
Ich danke allen, die gekommen sind, um diese Fachtagung mitzugestalten. Jeder hat dabei seinen Platz eingenommen und war gleichermaßen wichtig und wertvoll für das Gelingen des Ganzen.
Wir waren zu Gast in dem Haus der Bremischen Bürgerschaft, das durch seine Offenheit, beste Organisation zum Wohlfühlen aller beigetragen hat. Dem Schirmherren unsere Fachtagung, Herrn Bürgermeister a. D. Hans Koschnick, haben wir durch seinen persönlichen und finanziellen Einsatz zu verdanken, dass wir an diesem Ort mitten in Bremen sein konnten, die Anliegen der Geschwister im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller, auch im Mittelpunkt von Bremen waren.
Ich danke ich den Referentinnen und Referenten, die jeweils aus ihrem persönlichen Zugang auf dem Hintergrund ihrer Erfahrungen einige Zugänge zu den Gedanken von Janusz Korczak vermitteln konnten.
Mein Dank den Geschwistern, die bereit waren sich mit ihren Texten an der Gestaltung der Tagung zu beteiligen und allen, die mit dafür gesorgt haben, dass mit einer solch großen Gruppe die Aktionen, die uns aus dem Zusammenleben auf den Semi-naren mit Geschwistern vertraut sind, auch hier gelingen konnten.
Im Haus der Bürgerschaft werden Gesetze gemacht. Wir haben uns mit den Kinder-rechten auseinander gesetzt, die Janusz Korczak formuliert hat.
Den Schülerinnen und Schülern der Klasse 2a der Findorff-Schule und ihrer Klassen-lehrerin Imke Komesker danke ich für ihre einzigartige Ausstellung zu diesem Thema.
Der Geest-Verlag und der Borgfelder Kinderbuchladen haben durch ihren Einsatz allen die Möglichkeit gegeben, Bücher, von denen auf der Tagung gesprochen wurde, sofort zu erwerben.
Und Familie Blum und ‚Tenever Brass‘ haben dafür gesorgt, dass wir beim Hören von Musik unseren Gedanken nachgehen konnten.

Es lief alles so, wie wir es uns erhofft hatten.

Was wir uns erhofft hatten?
Dass alle Teilnehmenden erfahren können, dass das sich Befassen mit ‚Korczak‘ nicht nur schwer ist, was wir oft hören müssen (siehe Anmerkung);
dass seine Gedanken umsetzbar sind;
dass sie uns heute leiten können;
dass das Zusammensein unter dieser Prämisse des Zuhörens, des gleichen Wertes eines jeden allen Freude bringen kann;
dass Kinder es begreifen und umsetzen können;
dass manche dadurch angeregt werden können, sich mit den Gedanken von Janusz Korczak auseinanderzusetzen, ohne zu befürchten, dass das nur belastend ist, zu sehr fordert.
Wir alle tun es immer wieder – mit Gewinn für alle Lebenssituationen.

Was konnte Schöneres geschehen, dass jetzt etliche Menschen nach Hinweisen, Lite-ratur zu Korczak fragen und Weiteres über die Möglichkeit der Gestaltung von Ge-schwisterangeboten wissen wollen, ohne die Gedanken von Janusz Korczak dabei ausschließen zu wollen. Wir danken daher dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) für die Bereitstellung von Mitteln, mittels derer diese umfangreiche Dokumentation der Tagung möglich wurde.

In diesem Sinn gute Gedanken beim Lesen der folgenden Texte

Marlies Winkelheide
im Juli 2013

Anmerkung:
Viele Menschen, PädagogInnen, ErzieherInnen, LehrerInnen fürchten einen zu hohen Anspruch an Erwachsene, wenn man sich auf die Gedanken von Janusz Korczak ein-lässt, andere haben Angst vor einer Überforderung durch das Vorbild von Korczak und seine Konsequenz, seine Haltung zu leben.
Man muss sich mit der gesamten Persönlichkeit und dem ganzen Leben von Janusz Korczak auseinandersetzen, dann erlebt man auch die Bereicherung, die seine Ge-danken für uns und unsere Zeit darstellt, man muss seinen eigenen Weg finden, das umzusetzen, was er als Botschaft hinterlassen hat, was er angeregt hat. Diese  kon-sequente Perspektive kann nur ein Gewinn sein, wenn man sich darauf einlässt.

Und hier gibt es Parallelen zu den Lebensgeschichten von Geschwistern.
Man muss bereit sein, sich einlassen zu können auf ALLE Fragestellungen, die ihr Leben und das Leben von Menschen mit Behinderungen, Beeinträchtigungen, chro-nischen und lebensverkürzenden Erkrankungen für uns alle darstellt, die sich damit befassen möchten.
Es geht immer um ein GANZES Leben, nicht nur um Teilbereiche.
Eigentlich sind WIR ALLE in der Gesellschaft aufgefordert uns zu stellen, damit das wahr werden kann, was zu den Grundrechten von Menschen gehört.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Artikel 1 Grundgesetz)