In die lektorale Arbeit gegangen: Kurt W. John - Unaufhaltsam ist der Zeiger Gang
Kurt W. John
‚Unaufhaltsam ist der Zeiger Gang – Gedichte und Geschichten’
Geest-Verlag 2010
Kurt W. John legt mit diesem Band eine Zusammenfassung von Gedichten und kurzen Erzählungen vor, die er in den letzten 30 Jahren verfasste. Die Inhalte entspringen zumeist einem selbst erlebten Geschehen, doch entwickelt er aus diesem verarbeiteten Erleben ein allgemeines Resümee des Lebens, das man mit dem Satz ‚einer fortschreitenden Enthumanisierung der Gesellschaft’ umschreiben kann.
Ein Schlüsselgedicht ist dabei sein ‚Valse triste’, in dem er an einem perfekt und voller gegenseitiger Hingabe tanzendem Paar verdeutlicht, dass das Paar in seinen einstudierten Bewegungen verharrt, dabei vergisst, dass Liebe ein ständiger Weiterentwicklungsprozess ist.
Gesellschaftlich gewendet: Das Paar verharrt in ihrem Erreichten von sozialer Absicherung, Wohlstand und Sicherheit, vergisst dabei, dass das soziale Leben ein ständig gelebter Prozess sein muss. Und voller Eindringlichkeit appelliert der Autor an den Leser: „Verspürst du nicht / den heißen Hauch / des Wahnsinns / dem du so blind entgegengehst?“
Angesichts ihrer Verfasstheit scheint ihm diese Welt unaufhörlich dem Untergang entgegenzustreben. Davon zeugt u. a. sein Gedicht ‚Zeit rinnt’:
„zeit rinnt.
unaufhaltsam
tropfen die sekunden
in den fluss
der stunden.
um
mit jahren und
mit tagen
immer weiter
fortzujagen.
fort
in die unendlichkeit
in das grosse meer
der zeit.
in dem
die welt
ertrinken muss.“
Melancholie und Verzweiflung machen sich jedoch im den Band nur an wenigen Stellen breit, vielmehr zeigt er in anderen Geschichten und Gedichten auch das Vorhandensein ursprünglicher Liebe – etwa Mutterliebe, Liebe zur Natur –, die er als Basis des Menschseins empfindet.
Auch Witz und Humor, wobei er sich gekonnt sogar dem Reim verschreibt, kommen nicht zu kurz.
Seine Sprache ist direkt, einfach und schlicht. Doch gerade hieraus zieht der Band seine besondere Kraft. Keine überfrachteten Sprachbilder, die der literaturwissenschaftlichen Erhüllung harren, vielmehr die Bilder des alltäglichen Lebens, die er mit aller Sensilibität wahrnimmt und in Gedichten und Geschichten verdichtet. Auch den einfacheren Leser erreicht diese Sprachebene, bricht ihm den Alltag so, dass er ihn zum Teil anders wahrnehmen kann.
Es überwiegt auch in den Gedichten der erzählende Stil, der den Band für eine breite Leserschicht annehmbar macht, lesenswert. Die Gedichte rütteln auf, lassen einen nicht aus der Verantwortung. Sie fordern auf zum Hinsehen und zum Handeln. Oder anders formuliert, John ist ein politischer Dichter, der aus der verdichtenden Darstellung des alltäglichen Erlebens und Scheiterns unsere individuelle Verantwortung verdeutlicht. Die Wege der Wahrnehmung spart er aus, will nicht zu den ‚Wölfen’ gehören, nicht zu den ‚Rattenfängern’, die abgestumpften Lämmern das ‚Mäh-Sagen’ ermöglichen.
Ein Band voller Geschichten, der wohl niemanden unberührt lässt.