In die Rolle des Außenseiters gestoßen - die MZ zum Tode von Günter Ullmann
In die Rolle des Außenseiters gestoßen
Der Dichter Günter Ullmann ist im Alter von 62 Jahren gestorben
"Ich war immer das schwarze Schaf in der Familie", hatte der Dichter
Günter Ullmann über sich selbst geschrieben. Dieses schwarze Schaf ist
der 1946 in Greiz geborene Autor auch außerhalb der Familie geblieben:
der gesellschaftliche und politische Außenseiter, der weggestoßen,
weggesperrt werden muss, dessen Tod in Kauf genommen werden kann.
es, das so sehr mit Schrecken behaftet ist, ausgelöst vom Spitzel- und
Justiz-Apparat der DDR. Sollte einmal eine "schwarze"
Literaturgeschichte der DDR geschrieben werden, an Günter Ullmann käme
diese nicht vorbei. Günter Ullmann: Abiturjahrgang 1966,
Facharbeiterbrief als Maurer. Mit Freunden gründet er die Beatband "the
rats", die sich in "media nox" umbenennen muss. Ullmann ist der
Schlagzeuger, der auch malt, auch dichtet, von einem Studium der Künste
träumt. 1968 taucht der Kulturfunktionär Ibrahim Böhme in Greiz auf,
der das Herz der Szene gewinnt, die er an die Stasi verrät. 1968 wird
Ullmann verhaftet, weil er gegen den Einmarsch der Russen in Prag
protestiert. Eine zweite Verhaftung folgt seinem Protest gegen die
Ausbürgerung Wolf Biermanns. Den Verhören in Gera ist Ullmann seelisch
nicht gewachsen: Verfolgungswahn, zwei Selbstmordversuche. Alle Zähne
lässt sich Ullmann ziehen, in dem Glauben, in diesen seien Wanzen
versteckt.
Fahrer durch. Seine Lyrik- und Prosamanuskripte landen in der
Schublade. Epigrammatische, die DDR-Realität auffangende Lyrik wie
"staatsbürgerkunde": "für dummheit und lüge / gibt es / die besten
noten / genau so / wie im / leben". Trotz einiger Ehrungen ist Ullmann
nie ganz im Nach-Wende-Alltag angekommen. Wie der Geest Verlag in
Vechta am Montag meldete, ist Günter Ullmann in der Nacht zum 10. Mai
62-jährig im Krankenhaus Plauen gestorben. Er starb, wie sein Freund,
der Publizist Udo Scheer in Jena mitteilte, nach einer Umstellung
seiner Psycho-Medikamente.
