Die Stille kennt keine Zeit oder JONATHAN - Nuer Roman von Wolfgang Buchhorn

Wolfgang Buchhorn legt einen neuen Roman vor, der in Kürze in die Arbeit geht. Hier ein kleiner, erster Ausschnitt:

Vielleicht sollte ich gar nichts schreiben. Schweigen. Denn alles ist unvollständig, willkürlich. Meist fängt das Schreiben einer Geschichte einfach irgendwo und irgendwann an, mittendrin, willkürlich. Dabei hat alles Beschriebene eine Vorgeschichte, sei es der 14.Juli 1789 oder die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und so auch diese vorliegende Geschichte. Und nichts ist wirklich verständlich, wenn diese Vorgeschichte unbekannt bleibt, denn alles darauf Nachfolgende baut darauf auf, doch das suggeriert andererseits eine in sich logische Abfolge, als wenn es sicher wäre, dass die Welt logisch funktioniert, gar nach menschlicher – sogar nur westlicher Logik. Oder gar nach unserer Zeitauffassung, einem linearen Zeitablauf; vielleicht liegen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gar nicht auf einer Linie, vielleicht laufen sie alle parallel oder sind alle gegenwärtig. Vielleicht bewegen sich Tote und Lebende nur auf verschiedenen Zeitebenen, manchmal, in außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen, mögen sie sich berühren, füreinander offen sein oder sich kreuzen. Insekten haben eine andere Raum und Zeitwahrnehmung und die machen sogar die Mehrheit aller Lebewesen aus.
Wo also mit der Beschreibung anfangen? Bis zurück zum Urknall gehen, an dem alles begann. Ganz so sicher, wenn auch in sich schlüssig,  ist selbst der Urknall nicht, denn andere Physiker folgen anderen gut begründeten Theorien, etwa der Stringtheorie, der Theorie der Multiversen, der hinduistisch- buddhistischen Auffassung des ständigen Werdens und Vergehens aller Universen in Äonen, etc. Die hier vorgelegte Geschichte mit dem Urknall zu beginnen, wäre zu lang und wohl auch zu langweilig, zumindest in den ersten dreizehn Milliarden Jahren. Und dennoch läge nach derzeitiger Überzeugung genau dort der Beginn von allem, von unserer Wirklichkeit. Doch was ist Wirklichkeit? Gehören nicht auch Möglichkeiten dazu? Eine Beschreibung hat auch einen magischen Charakter, weil das Beschriebene erst durch die Beschreibung ins wirkliche Leben tritt und zudem wird die hier zu erzählende Geschichte zu einer wieder anderen Wirklichkeit bei dem, der sie liest. Vieles oder auch alles in dieser Geschichte hätte auch anders geschehen können. Das wäre dann eine andere Erzählung. Es sind Lebens-Spuren und ob sie sich zu einer Spur vereinen oder wie Spuren im Sand verwehen, muss hier noch offenbleiben.
Also wo anfangen und mit wem? Mit Jonathan anzufangen wäre angemessen, denn er gab dem Stoff den Namen, den Anstoß, zumindest indirekt. Ob direkt oder indirekt ist allerdings schon wieder Teil dieser zu erzählenden Geschichte, denn Umwege erweitern die Ortskenntnisse. Auch wenn die Schönheit oder die Bedeutung stets im Auge des Betrachters oder des Lesers liegt, so heißt das nicht immer, dass ein beiläufig gesagtes Wort, eine flapsige Bemerkung der Belanglosigkeit bezichtigt werden muss, vielleicht liegt gerade hierin ein Schlüssel für eine wichtige Tür, die auch wieder irgend eine andere sein könnte. Womit also anfangen, wenn doch alles mit allem zusammenhängt und wir gleichzeitig nie alles wissen können und es dennoch anstreben: „Das verständnislose Erleben einer Erfahrung macht die Erfahrung intensiv“, heißt es tröstend bei Martin Walser.
Darum geht es im Leben und auch in dieser Geschichte über Jonathan, die  - wie alle Geschichte und alle Geschichten -  von Beziehungen handelt. Nur eine kleine Auswahl von Beziehungen muss hier genügen. Oder muss der Leser alles in dieser Geschichte wissen? Sein Vertrauen ist gefordert, dass der Autor die Beziehungen angemessen gewichtet und bewertet. Ob das gelingt, ist nie sicher.