Dimitri German, Vorsitzender des Kulturrates der Deutschen aus Russland e.V., zu den russlandeutschen Demostrationen in verschiedenen Orten der BRD

Liebe Landsleute, Mitstreiter und Gleichgesinnte,
nachdem sich einige geschätzte Landsleute zu den aktuellen Ereignissen geäußert haben und mit Recht ihre tiefsten Besorgnisse aussprachen, möchte ich mich ebenfalls als russlanddeutscher mündiger Bürger zu den aktuellen Ereignissen einbringen.
„Hart sind meine Gedichte,
und vielleicht
sind sie einfach nur
Prosa,
denn, wovon sie berichten,
war durchaus keine Lyrik
in Rosa.“
Nora Pfeffer “Meine Gedichte“
Wahrlich kann die gegenwärtige Situation in Deutschland und auf der Welt insgesamt als durchaus gefährlich und alarmierend bezeichnet werden. Die Medien berichten beinahe im Stundentakt über die barbarische Brutalität des IS und viele Terroranschläge überall auf der Welt. Ein globaler militärischer Konflikt zwischen den Zivilisationen, Kulturen und Religionen fordert immer mehr unschuldige Opfer.
Aus diesem Grund ist unser noch vereinigtes Europa für viele Menschen zu einem sicheren Zufluchtsort und dem Ort der Hoffnung auf eine friedliche und wohlhabende Zukunft geworden. Diese Tatsache spricht unbestritten dafür, dass die freie europäische Art zu leben und das Leben zu gestalten mit Abstand die beste und die vernünftigste bis Weilen ist und von den Menschen weltweit hohe Anerkennung genießt.
Wir sind alle hier geschützt durch das Grundgesetz und die Verfassung auf der sicheren Seite des Weltgeschehens. Unsere gemeinsamen Werte und Normen tragen wir als Bürgerpflicht für jeden Einzelnen zum Erhalt der Demokratie.
Verständlicher Weise wird eine pluralistische, freiheitsorientierte zivile Gesellschaft, wie die Europäische, immer wieder mit neuen Problemen und Herausforderungen konfrontiert. In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig zu verstehen, dass nicht nur die Regierung und die Bundeskanzlerin die persönliche Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft der Menschen in diesem Lande zu tragen haben, sondern in erster Linie das Volk selbst. Das Recht der freien Wahl sowie das Recht des öffentlichen Protestes in Form von Demonstrationen und Kundgebungen sind unverzichtbare Grundpfeiler einer Demokratie.
„...Weh tun meine Gedichte –
tausend Splitter
zerschmetterter Jugend…
Der Terror der Geschichte
war getarnt
mit der Maske der Tugend.“
Nora Pfeffer „Meine Gedichte“
Wenn es in Berlin Marzahn tatsächlich zu einer so abscheulichen Straftat gekommen ist, so ist diese Gewalt gegenüber einem schutzlosen Kind zweifellos das schlimmste und das abartigste Verbrechen, das ein Mensch begehen kann. Man kann die Empörung und den Frust gut nachfühlen. Straftaten dieser Art haben uns schon immer stark emotional bewegt. Dabei haben die Menschen ihr Mitgefühl und Anteilnahme stets in der Öffentlichkeit entladen.
Doch dieses Mal waren die Demonstranten in Berlin arglistig getäuscht, manipuliert und instrumentalisiert worden. Der russisch sprechende „Rattenfänger“, „Besorgte Bürger“ und NPD Sympathisant hat, zusammen mit seinen Komplizen, offensichtlich diese Kundgebung zu einer „rechts orientierten“ politischen „Kaffeefahrt“ gemacht. Ihre menschenverachtenden, widerlichen Parolen, der Aufruf zum Sturz der Regierung und die unbegründeten Beschuldigungen der Justiz in Deutschland hat jedes Maß an Dummheit und Respektlosigkeit bei Weitem übertroffen.
„...Aufschrei sind meine Gedichte!
Mit der Wahrheit,
die dastand,
verlassen,
gingen stur zu Gerichte
die mit Blindheit
geschlagenen Massen.“
Nora Pfeffer „Meine Gedichte“
Diese „Besorgten Bürger“ haben behauptet, im Namen aller Russlanddeutschen gesprochen zu haben. So wurde aus einer vermeintlichen kriminellen Tat, eine politische Angelegenheit. Mit dem Ergebnis, dass die hiesigen Magazine, wie z. B. der Spiegel, uns alle wieder pauschal als rechtskonservativ bezeichnet und somit die über zwanzigjährige Integration der Russlanddeutschen in Frage gestellt. Die russischen Regierungsvertreter nennen uns ganz vorsichtig „unsere“. So wurden wir zu einem Wechselgroschen der Deutsch-Russischen Medienpropaganda.
„...Gramvoll sind meine Gedichte!
Denn des Menschentums
größter Verräter
ließ vernichten,
vernichten,
vernichten
uns und unsere
Mütter und Väter.
Grau sind meine Gedichte
wie im Lager
das Stöhnen und Sterben
und
ergraute Gesichter…
Und seither
ist mein Herz
voller Kerben…“
Nora Pfeffer „Meine Gedichte“
In Russland werden wieder an Stalins Grab Blumen niedergelegt, wieder sagen Menschen dort: „Er habe den Krieg gewonnen“. Millionen vertriebene Russlanddeutsche werden als Kollateralschäden oder gar als „selber Schuld“ bezeichnet. Über diese gefährlichen Tendenzen in Russland müssen wir uns heute in aller Ernsthaftigkeit unterhalten und nicht mit den „Besorgten Bürgern“ menschenverachtende Parolen ausrufen, welche den KGB- Urteilen von damals inhaltlich ähneln.
„Volksverräter“ war unser Brandmal in der Sowjetunion. Heute werden wir als rechtskonservativ bezeichnet. Die Landsleute, die ihre Ängste und Wut mit den primitiven Menschenhassern und Homophoben teilen, haben leider die wichtigsten Aspekte der Integration versäumt - die Sprache und die Geschichte dieses Landes anständig zu lernen und zu begreifen. Sie denken immer noch in alten Kategorien und befinden sich unbewusst am Rande dieser Gesellschaft, in einer Subkultur gefangen. Sie denken immer noch, sie Leben in einer Diktatur und holen sich diese Pseudobestätigung aus den russischen Medien.
Erinnerungen
von Nelly Wacker
Erinnerungen sind wie tote Sterne,
die uns ihre Strahlen ins Heute senden.
Sie wärmen das Herz aus kalter Ferne
und lindern oft den herbsten Schmerz.
Doch manchmal sind sie lebendige Flammen,
die uns verbrennen, die uns verdammen…
Dimitri German
Vorsitzender des Kulturrates der Deutschen aus Russland e.V.