Frank Maria Fischer - Die vergessene Mühle

Die vergessene Mühle
(Warum wir ein Märchen sind)

„Pass auf, dass dich nicht der Müller
holt … und dich mahlet wie Korn.“
Dirk Semrau

Umstellt von Bäumen und verdeckten Pfaden
Zog sich auch das Licht zurück ins Geäst
Bilder stiegen ins Blattwerk
Über mir wispernder Wind von woher
Stürzende Stare in Wolken gelöst
Und Wurzeln die ins Unterirdische tauchten
Ließen mich stolpern und legten mich
Ins Moos
Ins Atmen und Schauen
Da saß sie
die Mühle
Eine alte Eule mit hängenden Flügeln
Im Geheul der Böen zeigte sie keine Regung
Auf wen wartete sie wie lange schon
Eine Tür klapperte und lud mich ein
Ich betrat das morsche Gestiege
Den Bauch aus knarzendem Holz
Es wurde dunkel
Als der Müller vor mich trat
Zumindest hörte ich ihn – fühlte ihn
Die Säcke mit groben Händen packend
Als ich auf den Spalt blickte der zwischen
Den riesigen Mühlsteinen klaffte
Fühlte ich den Sog der Zeit die hier
Zerrieben worden war wie der Müller
Der sich zwischen die Steine gelegt hatte
Im Bauch der Mühle seine Klage führend
Bis sich nichts mehr drehte
Bis alles still war
Die Mühle von Bäumen umstellt wie zur Wacht
Das Licht zog sich zurück ins Geäst
Ich lief so schnell ich konnte
Sprang über Wurzelwerk ins Unterirdische
Dunkle Zeichen ließen mich stolpern
Und legten mich ins Moos zurück
Wo ich einschlief vor Erschöpfung
Einhundert Jahre lang