Heute neu erschienen: ZwischenZeiten - Die Anthologie zu den Ersten Berner Bücherwochen. Herausgegeben von Reinhard Rakow

ZwischenZeiten

Die Anthologie zu den

Ersten Berner Bücherwochen

Hg. von Reinhard Rakow

Geest-Verlag 2008

448 Seiten

 

Wilder Götter Gesang und gute Droge —
“ZwischenZeiten”, eine Anthologie der Wesermarsch

Curt Querner stand Pate. In seinen Tagebüchern beschrieb der 1976
ver-storbene Maler immer wieder die Faszination, die die Zwischenzeiten
Frühjahr und Herbst auf ihn ausübten. November/ Dezember, Februar/
März: Das waren seine Zeiten; nichts hielt ihn dann mehr zu Hause. Bei
Wind und Wetter zog er mit Staffelei und Malzeug auf den Acker, kauerte
sich in die Schollen: „Heute wie gestern in B. auf dem Berg. Gesang
eines wilden Gottes! Der Tag mit dem Schneesturm und den jagenden
dunklen Wolken – wie Verschwörung. Gelbes am Himmel. Fanal von
Trompeten. Erregendes Durcheinander da oben. Braune Fetzen ziehen dahin
im Sturm, der heulend über den Berg brüllt. (...) Wunderbare
Verwandlung, wunderbar brüllender Tag!”

In der vorliegenden Anthologie wandelt sich jene Zwischenzeit des
„To-sens der Natur” bald zum köstlichen Kitzel des Wartens in
Situationen der Ungewissheit, bald zum Bedenken des Laufes der Zeit im
allgemeinen. Die Spannung zwischen Liebenden füllt große Flächen des
weiten Feldes „zwischen den Zeiten”, die existenzielle Ohnmacht
zwischen Leben und Tod nicht minder. Und auch davon, dass das Mit- und
Nebeneinander verschiedener Kulturen in unserer globalisierten Welt
immer wieder für „wunderbare Verwandlungen” sorgt, legen die Beiträge
Zeugnis ab.

Ihre Autoren leben in Amerika, Bulgarien, Österreich, Frankreich,
Italien und der Schweiz oder (wieder) in Deutschland. Sie stammen aus
Berlin, Leipzig, München, Hamburg oder Düsseldorf. Überraschen kann
dies nicht wirklich; die ubiquitäre Verfügbarkeit des Worldwide Webs
bringt es mit sich. Die eigentliche Überraschung liegt in der starken
Beteiligung von Autorinnen und Autoren aus der Wesermarsch. In den
ersten Wochen der Ausschreibung kaum vertreten, kam die Wesermarsch
langsam, aber ge-waltig. Ein Kaleidoskop unterschiedlicher Themen,
Stile und Niveaus war die Anthologie ohnehin; erst die Vielzahl
schreibender und „neu-schreibender” Wesermärschler aber machte aus ihr
auch ein Dokument einer lebendigen regionalen Literaturförderung.

Ob solcher Wortmut an der Landschaft liegt? Am Wesermarschwetter? Am
Licht? Der Beitrag von Ines Schepker, einer Autorin, die wieder in der
Wesermarsch lebt, legt es nahe: „Am Wasser leuchtet die Sonne, ein
Glück. Viel Wind ist im Sand, es gibt einen Sturm. Die Wesermarsch
braut sich einen eigenen Orkan, eine gute Droge. Ich will ihn
verschlingen, ich will mir seinen Geschmack einverleiben von süß bis
salzig. Er ist mir auf den Leib geschrieben.”

Reinhard Rakow