Hilga Höfkens, Türen

Hilga Höfkens, Mettmann
Türen

Ich stehe vor dieser Tür, hinter der über das Schicksal ent-schieden wird, unser Schicksal.
Ich stand drinnen, hinter meiner Zimmertür, als die Boko Haram in unser Haus kamen, und ich hörte meine Schwester schrei¬en.
Als alles wieder still war, trat ich durch die Tür und sah das Blut auf dem Boden. Meine Schwester war fort.

Ich stehe vor dieser Tür, im Arm ein Kind, das ich nicht geboren habe.
Die Türen zum Unterdeck des verrosteten Frachters waren verschlossen und alle, die dort unten waren, wurden mit in die Tiefe gezogen, als er sank.
Die Türen öffneten sich nicht, aber eine Luke wurde einge-schlagen und ein Kind hindurchgepresst. Ich packte zu und hielt es fest. Da war kein Land und ich wollte aufgeben, aber ich konnte es nicht einfach loslassen, also musste ich weiterschwimmen.

Ich stehe vor dieser Tür und warte darauf, was sie über mich und meine Tochter entscheiden.
Denn als ich gefragt wurde, da nannte ich sie meine Toch-ter, damit sie bei mir bleiben durfte. Ihr Geburtstag ist der Tag, an dem wir gemeinsam das Ufer erreichten. Ich brauche sie, so wie sie mich braucht. Sie gab mir Kraft, als ich beinahe ertrunken wäre. Sie gibt mir auch heute die Kraft, hier zu stehen und für unsere Zukunft zu kämpfen. Ich werde für sie da sein, immer.

Ich stehe vor dieser Tür, die sich jetzt plötzlich öffnet.
Meine Hände zittern, als ich zögerlich den Raum betrete. Die Papiere in meiner Hand zittern auch, als ich sie hinüber-reiche. Es fühlt sich an wie Stunden, während er immer wieder auf den Computer und auf die Papiere schaut. Schließlich lächelt er, dann reicht er mir die Hand. Ich höre das Wort An-erkennung.

Eine neue Tür hat sich für mich, für uns geöffnet.